Shitstorm-DJs

Künstliche Intelligenz macht Organisationen verwundbarer. Auf Attacken mittels Falschinformationen sind viele nicht vorbereitet. Doch auch im Krisenraum tut sich einiges: KI kann helfen, Krisen zu simulieren, um sich besser darauf vorzubereiten.

(Künstler: Julian van Dieken)
Angela Merkel am Strand mit Barack Obama? KI kann uns eine harmlose Traumwelt vorgaukeln – aber auch für bösartige Fake News und Desinformationsattacken missbraucht werden.

Noch in diesem Jahr soll er in Kraft treten: der AI-Act. Mit dem Gesetz will die EU die Anwendung Künstlicher Intelligenz regulieren. Nötig geworden ist das, weil KI eben nicht nur Hausaufgaben schreiben, sondern auch Behandlungsmethoden in Krankenhäusern vorschlagen oder das Alltagsverhalten von Bürgern auswerten kann.

Mit der Diskussion über den AI-Act geraten derzeit immer wieder die Risiken von KI in den Fokus. Schauen wir darauf einmal mit der Kommunikatorenbrille. Denn auch auf unseren Berufszweig kommen neue Risiken zu: Künstliche Intelligenzen simulieren die Realität so perfekt, dass sie nicht mehr von der tatsächlichen Wirklichkeit zu unterscheiden ist.

Ein Beispiel sind Deepfakes. Sie stellen Personen in kompromittierenden Situationen dar oder lassen sie täuschend echte Fake-Aussagen treffen. Die Bilder von Angela Merkel und Barack Obama ( links) kann man noch als liebenswerte Persiflage abtun, genauso wie die tanzenden Royals auf der gefakten After-Coronation-Party ( S. 29). Aber Security-Firmen schlagen Alarm: Die Anzahl der Deep-Fake-Attacken nehme dramatisch zu, heißt es in Sicherheitskreisen.

Bislang sind noch keine spektakulären Fälle bekannt geworden. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Die Synthetisierung von Bildern oder Stimmen, etwa von CEOs, ist mittlerweile einfach und günstig geworden. Mit einem derart mächtigen Instrument in Händen kann die Arbeit eines Kommunikationschefs vielfältiger und einfacher werden – oder zum Albtraum, wenn man nur noch täuschend echte Fakes dementieren muss. Wir treten ins Zeitalter der KI-Attacken ein, in dem eine simulierte Realität kaum mehr von der echten zu unterscheiden ist. Da hilft keine Regulierung – sondern nur gute Vorbereitung.

Simulationen lassen sich auch für das Krisentraining nutzen. Mithilfe von KI ist es möglich, virtuelle, immersive, also der Wirklichkeit täuschend ähnelnde Krisenerlebnisse zu inszenieren. So lassen sich Risiken und potenzielle Schwachstellen in der Organisation identifizieren und mögliche Auswirkungen abschätzen. Das hilft etwa, die Reaktionszeit von Rettungskräften und Regierungsbehörden zu verkürzen oder die Effektivität von Notfallplänen zu verbessern.

Auch die meisten Kommunikatoren haben solche Trainings schon miterlebt: Eine Gruppe sitzt am Rechner und schwitzt. Ein Kunde hat bei der Benutzung eines Elektrogeräts aus der Produktpalette des Unternehmens einen Stromschlag bekommen und wurde ins Krankenhaus eingeliefert – ein Standardszenario. Der Produktrückruf läuft.

Die Pressesprecher schreiben Stellungnahmen und beantworten Anfragen. Das Social-Media-Team versucht, den aufziehenden Shitstorm in den Griff zu bekommen. Der Krisentrainer hat sich allerlei Schikanen einfallen lassen, um den Teilnehmenden das Leben so schwer wie möglich zu machen. So etwas ist lehrreich – aber mit neueren Szenarien hat das wenig zu tun. […]


Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Juni 2023.

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