Thorsten Möllmann, seit Mai 2022 Kommunikationschef des niedersächsischen Stahlproduzenten Salzgitter, begleitet die Transformation der Montanindustrie zur Klimaneutralität. Den Job sieht er als Krönung seiner bisherigen Kommunikatorenkarriere. Dafür nimmt er sogar das platte Land rund um die Eisenhütte in Kauf.

(Foto: Matthias Leitzke)
Im Bücherregal herrscht gähnende Leere, Bilder für die Bürowände stapeln sich am Boden. „Ich muss das noch ordentlich einrichten“, entschuldigt sich Thorsten Möllmann. Seit Anfang Mai ist er Chefkommunikator des Stahlkonzerns Salzgitter in der gleichnamigen niedersächsischen Stadt. Beim prmagazin-Interview liegt sein erster Arbeitstag gerade einmal fünf Monate zurück.
Seitdem war Möllmann viel unterwegs. Jeden Freitag pendelt er nach Höchstadt in Bayern, wo seine Familie wohnt. Unter der Woche übernachtet er in einem kleinen Appartement im nahegelegenen Braunschweig. Tagsüber hat er auch schon mal auf dem ausgedehnten Gelände des Hüttenwerks zu tun. Das ist so groß wie 980 Fußballfelder, eine einfache Fahrt zum Fototermin am Hochofen und zurück kann 45 Minuten dauern.
Möllmann hat bei Salzgitter viel auf dem Zettel. Auf seiner To-do-Liste stehen die Markenarchitektur, das Positionieren von CEO Gunnar Groebler als Vordenker der Wärmewende, die den Stahl „grün“ machen soll. Und ein Change-Prozess in Sachen Unternehmens- und Führungskultur.
Der 54-Jährige, das ist nicht zu übersehen, betrachtet das norddeutsche Salzgitter mit der gewaltigen Eisenhütte bisher vor allem als Arbeitsort, nicht als Heimat: „Natürlich muss man sich hier auch lokal als Kommunikator vernetzen“, antwortet er diplomatisch auf die Frage, wie er es nach dem idyllischen Mittelfranken auf dem platten Land aushält, wo die Hochöfen zwischen Äckern in den Himmel wachsen. Es falle ihm nicht schwer, man habe ihn rundherum freundlich aufgenommen. „Aber die Familie bringe ich im Moment noch nicht her.“
Möllmann hat es bisher nicht einmal geschafft, seine geliebten Chili-Weingummis zu besorgen, die er beim Automobilzulieferer Schaeffler stets im Schrank liegen hatte. In dem Familienunternehmen hat er vier Jahre lang die Kommunikation modernisiert und unter anderem ein Newsroom-Modell aufgebaut (mehr dazu in der prmagazin-Titelstory 05/2019).
CEO Gunnar Groebler, der an den Wochenenden ebenfalls pendelt, aber in die entgegengesetzte Richtung, nach Hamburg zu Frau und Kindern, hat bei Salzgitter ein Jahr Vorsprung. Der ehemalige Vattenfall-Manager zog im Mai 2021 in den Vorstand ein. Kurz darauf löste er den Vorstandsvorsitzenden Heinz Jörg Fuhrmann ab. Dessen Sprecher hielt sich danach nicht lange: Im Dezember verließ Bernhard Kleinermann, Leiter Konzernkommunikation, Salzgitter nach mehr als 25 Jahren.
Zum Zeitpunkt von Kleinermanns Ausscheiden gab es noch keinen Nachfolger. Investor-Relations-Chef Markus Heidler übernahm den Job als Interimsmanager. Beobachter vermuten, dass Groebler einen Neuanfang wollte, weil das Duo Fuhrmann/Kleinermann die Salzgitter-Kommunikation eher traditionell gesteuert hatte.
Anfang 2022 begann die Suche nach einem neuen Kommunikationschef, und der Headhunter klopfte unter anderem bei Möllmann an, damals in Berlin als Business Angel aktiv. Er war im Sommer 2021 bei Schaeffler ausgeschieden, unterstützte anschließend zwei Start-ups als Investor und Kommunikationsberater ( „Sterne, Start-ups, Stahl“).
Möllmann hatte das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt: Einer seiner Berliner Schützlinge, das junge Unternehmen e-mission, entwickelt digitale Schulungsmaterialien rund um nachhaltige Finanzen. Offenbar gefiel Groebler auch, dass Möllmann durch seine unterschiedlichen Stationen ein breites, international belastbares Netzwerk mitbrachte und bei Schaeffler gezeigt hatte, wie man eine eher traditionell aufgestellte Kommunikation in die digitale Ära überführt.
Möllmann selbst reizte die Vorstellung, bei Salzgitter den Stahl klimaneutral zu machen, sagt er. „Als Mitte 50-Jähriger habe ich hier noch mal die Chance, eine Transformation vom Anfang bis zum Ende zu begleiten. Ich finde, das könnte ein toller nächster Schritt in der Karriere eines Kommunikationsmanns sein.“
Schon unter Fuhrmann hatte sich Salzgitter dem Klima zugewandt. Die Stahlproduktion gehört zu den Industrien mit den höchsten CO2-Emissionen. 2015 hob man das Projekt „SALCOS“ („Salzgitter Low CO2 Steelmaking“) aus der Taufe. Es umfasst ein Bündel von Maßnahmen: Statt bei über tausend Grad in kohlebefeuerten Hochöfen den Sauerstoff aus dem Eisenerz zu lösen („reduzieren“) und es aufzuschmelzen, soll ein sogenanntes „Reduktionsgas“ das übernehmen („Eisenerz-Direktreduktion“).
Anfangs dient dazu Erdgas, mit der Zeit will Salzgitter immer mehr Wasserstoff beimischen, produziert mit erneuerbaren Energien. Dazu investiert der Konzern in mehr als 150 Meter hohe Direktreduktionsanlagen, kauft sich in Windparks ein und hat auf dem Gelände der Hütte sogar mit dem Partner Avacon Windräder aufgebaut. Mit dem Windparkbetreiber Orsted hat Salzgitter vereinbart, Stahl für Offshore-Windparks zu liefern und dafür grünen Strom zu beziehen. Und wenn die Orsted-Anlagen am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sind, erhält Salzgitter den Stahlschrott zurück – zum Recyceln.
Die Transformation kostet Unsummen, weshalb Salzgitter zuletzt intensiv in Brüssel und Berlin um Unterstützung geworben hat. Ein Erfolg, selbst wenn in den kommenden Jahren weitere Investitionen nötig sein dürften: Der Konzern erhält für die erste Stufe von SALCOS bis zu eine Milliarde Euro Fördergeld aus dem EU-Programm IPCEI (Important Project of Common European Interest). Möllmann und sein Team sollen Salzgitter nun als Vorreiter und Pionier der Stahlwende positionieren. […]
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