Powerhouse Nord

(Foto: prmagazin/Mohssen Assanimoghaddam)

Christian Blömer kommuniziert seit 16 Jahren für EWE, den fünftgrößten deutschen Energiekonzern. Auch wenn immer wieder schwierige Themen auf der Agenda standen, hat er es Beobachtern zufolge geschafft, den norddeutschen Versorger als Treiber der Energiewende zu positionieren. Ungewöhnlich: Der 42-Jährige sitzt zusätzlich im Aufsichtsrat der Oldenburger.

Beim „Deichbrand“-Festival in Cuxhaven sind es normalerweise die Künstler und Organisatoren, die Lampenfieber entwickeln. Ende Juli spielten auf der Hauptbühne am Seeflughafen unter anderem Deichkind, Fritz Kalkbrenner und Marteria. Diesmal schwitzte hinter den Kulissen auch das Sponsoring- und Event-Team des Energieversorgers EWE.

Die Oldenburger rücken seit einem Jahr mit ihrem bunt beleuchteten „Festivalkraftwerk“ zu Rock-, Pop- und Elektro-Events im Nordwesten an, waren auch beim „Hurricane“ in Scheeßel östlich von Bremen. Das „Kraftwerk“ ist ein sechs bis zehn Meter hoher Messestand, den ein Messebauer für EWE konstruiert hat und an dem Besucher Handys aufladen und dabei kostenlos WLAN nutzen können.

Beim Deichbrand-Festival 2023 sollte der Stand erstmals energieautark und emissionsfrei sein. „Bisher kam die Energie vor Ort aus Dieselgeneratoren“, erklärt EWE-Kommunikationschef Christian Blömer. In diesem Jahr hatte das Team ein großes Solarmodul dabei, ein kleines Windrad und einen Akku als Back-up.

Den Löwenanteil des Stroms sollte aber die Wasserstoff-Brennstoffzelle liefern. „Wir hatten im Vorfeld zigmal theoretisch durchgerechnet, ob der Wasserstoff für die drei Tage reicht – und es hat gut geklappt“, sagt Blömer erleichtert. Mit dem Festivalkraftwerk will er den Versorger als innovativ und nachhaltig inszenieren – und dafür sorgen, dass junge Leute EWE als potenziell spannenden Arbeitgeber abspeichern.

Außerhalb ihres Versorgungsgebiets ist die ehemalige „Energieversorgung Weser-Ems“ kaum bekannt. Dabei gilt EWE mit einem Jahresumsatz von an die neun Milliarden Euro in der Branche als „der Größte aus der zweiten Reihe“, sagt ein Energiefachjournalist. Bestenfalls Fußballfans ist das Unternehmen ein Begriff: als Sponsor des Erstligisten Werder Bremen. Oder Elektroautobesitzern: als Betreiber von bundesweit mehr als 800 Ladesäulen der Marke EWE GO.

Nur wenige wissen dagegen, dass der Konzern 95 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnt, dass er mit den Besitzern des Windkraftbauers Enercon ein erfolgreiches Joint Venture für Onshore-Windparks namens Alterric betreibt und mit seiner Tochter BTC nach eigenen Angaben einen der 25 Top-IT-Dienstleister Deutschlands sein Eigen nennt ( „Der Größte unter den Kleinen“). All das will Blömer den Menschen noch erklären.

Der 42-Jährige ist seit 16 Jahren bei EWE, und seit seinem Einstieg beschäftigt ihn insbesondere der Wandel der Branche hin zu erneuerbaren Energien ( „Karriere beim Versorger“) – die Kommunikation des Offshore-Windparks Alpha Ventus war Blömers erstes großes Projekt. Allerdings halten ihn immer wieder andere Dinge davon ab, die Energiewendethemen auszuspielen. „Das Unternehmen“, sagt ein Beobachter, „ist nicht leicht zu handeln.“

Da sind zunächst die kommunalen Eigner: „In diesem politischen Umfeld schießt schon mal die Politik quer“, sagt ein Branchenkenner. „Das bedeutet permanentes Entschärfen, Ausgleichen, Moderieren und Erklären.“ So sollen die Kommunen die treibende Kraft gewesen sein, dass sich EWE nach dem Alpha-Ventus-Projekt 2020 wieder aus der Offshore-Windkraft verabschiedete. Die Argumente: zu teuer, zu wenig auf die Region fokussiert.

Blömer erklärt dazu, er könne nicht für die Anteilseigner sprechen. Und dass auch die hohen Investitionssummen im Offshore-Geschäft eine Rolle spielten. Dass sich EWE unter dem damaligen Chef Werner Brinker Mitte der 2000er Jahre massiv in den türkischen Energiemarkt eingekauft hatte, passte den Kommunen dem Vernehmen nach ebenfalls nicht.

Sich auf die Heimatregion zu konzentrieren, sei im Rückblick ein „richtiger Schritt“ gewesen, sagt Blömer. Das Thema Türkei brachte dem Versorger später tatsächlich viel Ärger ein, als die dortige Regierung immer autokratischer wurde. Seit 2019 sind die Beteiligungen in dem Land verkauft. Für Blömer, der in der Zwischenzeit Schritt für Schritt mehr Verantwortung in der EWE-Kommunikation übernommen hatte, stand das Thema spätestens damit wieder auf der Agenda.

Unter Brinkers Nachfolger Matthias Brückmann baute Blömer ab 2015 zunächst Kommunikation und Marketing massiv um. […]


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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der prmagazin-Printausgabe September 2023.