Der König und die Dame

Sandra Binder-Tietz hat untersucht, wie Unternehmen die Kommunikation ihrer Aufsichtsräte organisieren. Michael Brendel spricht bei Volkswagen hauptamtlich für Chefkontrolleur Hans Dieter Pötsch. Im Interview mit dem prmagazin erklären sie, warum die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden enorm wichtig ist – und doch in der Kommunikation vernachlässigt wird.

Außerordentliche HV im Dezember 2022: VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch (l.) und CEO Oliver Blume. (Foto: Volkswagen AG)

prmagazin: Frau Binder-Tietz, in Ihrer Promotion untersuchen Sie die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden in Deutschland auf prallen 500 Seiten. Wie kommt man auf so ein Thema?

Sandra Binder-Tietz: Ich habe in meiner Zeit bei Hering Schuppener sieben Unternehmen an die Börse begleitet, dabei haben wir auch die neuen Aufsichtsräte gecoacht und die ersten Hauptversammlungen unterstützt. Ich habe mich schon damals gewundert, dass der Aufsichtsrat und damit sein Sprecher, der Aufsichtsratsvorsitzende, sowohl in der Medienberichterstattung als auch in der Forschung so wenig Beachtung finden. Das Thema CEOKommunikation ist dagegen ja total etabliert.

Wie haben Sie sich der Sache genähert?

Binder-Tietz: Ich habe mir mehr als zwei Jahre lang angeschaut, wie Medien und Analysten über Aufsichtsratsvorsitzende berichten. Dann habe ich Stakeholder wie Investoren, Stimmrechtsberater und Journalisten nach ihren Anforderungen und Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden gefragt. In zehn Dax- und MDax-Unternehmen habe ich jeweils mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden, mit Verantwortlichen für Investor Relations und Unternehmenskommunikation gesprochen. Ich wollte wissen, wie sie miteinander interagieren und wie die Strukturen aussehen.

Sie haben einfach so Aufsichtsratsvorsitzende von Dax-Unternehmen ans Telefon bekommen?

Binder-Tietz: Ja. Die haben ein hohes Interesse an dem Thema. Sie merken nämlich: Kommunikation ist relevant und gewinnt an Bedeutung. Sie beobachten, was andere Aufsichtsräte tun, und haben sehr klare Meinungen zu den Kolleginnen und Kollegen, von denen man ständig in der Presse liest.

Herr Brendel, wie fanden Sie es, dass Frau Binder-Tietz Sie zu dem Thema interviewen wollte?

Michael Brendel: Das habe ich sehr gern unterstützt. Aufsichtsratskommunikation ist ein strategisches Element, kein Luxus. Es geht dabei um transparentes Reputationsmanagement – sehr punktuell und fokussiert. Und wenn der Aufsichtsratsvorsitzende zu der Überzeugung kommt, dass er Teil der Außendarstellung sein sollte, dann ist das eine gute Idee. Denn Aufsichtsratsvorsitzende sind relevante Kommunikatoren für börsennotierte Unternehmen. Wenn Unternehmen das ernst nähmen, müssten sie eigentlich viel öfter zu dem Schluss kommen, die Verantwortung für Aufsichtsratskommunikation Vollzeit zu besetzen. Im Moment bin ich so was wie das Einhorn der Branche.

Weil Sie als Sprecher exklusiv für den VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch zuständig sind, was kein anderer Konzern so konsequent macht.

Brendel: Die Funktion umfasst die Kommunikation für den Aufsichtsratsvorsitzenden, aber auch für das Gremium in Gänze. Ich wüsste nicht, wo dieser Bereich der Kommunikation eines Unternehmens so konsequent auf eigene Beine gestellt ist wie bei VW. Es gibt ja auch keinen Grund, was auf der Unternehmensseite separiert ist, nicht auch in der Kommunikation zu trennen. Zumindest bei Unternehmen von hinreichender Größe und Komplexität.

Binder-Tietz: Es gibt in manchen Unternehmen Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation, die die Aufsichtsratskommunikation mit im Titel tragen, diese aber nicht hauptamtlich betreuen. Das kann zum Beispiel ein Pressesprecher sein, der Aufsichtsratsthemen mitbearbeitet – so ist das beispielsweise bei Siemens. In den meisten Unternehmen gibt es irgendeinen Ansprechpartner, der bei bestimmten Aufsichtsratsthemen zuständig ist, aber das ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich.

Wie kommt es, dass das Thema Aufsichtsratskommunikation derart unterbelichtet ist?

Binder-Tietz: Das hat mehrere Gründe. Im Aktiengesetz ist der Aufsichtsrat traditionell stark auf die Rolle des Kontrolleurs beschränkt. Und in der „Deutschland AG“ hatten Unternehmen lange wechselseitige Verbindungen über Aufsichtsratsmandate, es war üblich, aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat zu wechseln. Es war weniger professionell als heute, und die Relevanz von Kommunikation war auch geringer.

Und das ändert sich jetzt?

Binder-Tietz: Ja, das würde ich schon sagen. […]

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Februar 2023. Möchten Sie weiterlesen? Klicken Sie hier, wenn Sie ein Jahres- oder Probeabo abschließen oder ein Einzelheft bestellen möchten.