Zweckbündnis

Eine Zusammenarbeit mit einer anderen Agentur, um das eigene Portfolio zu erweitern? Das kann sogar mit einem direkten Wettbewerber funktionieren. Aber nur, wenn man vorher klare Absprachen trifft und die Konditionen regelmäßig aktualisiert.

Als Jan Leiskau die Anfrage seiner Wettbewerberin erreichte, stutzte er im ersten Moment. Iris Heilmann, Chefin der B2B-Kommunikationsagentur Palmer Hargreaves, hatte dem Geschäftsführer von Solutions, der Corporate-Publishing-Tochter des Handelsblatts, vorgeschlagen, bei einer großen Ausschreibung des Autobauers Audi zusammenzuarbeiten. „Normalerweise wäre das ein Auftrag, auf den wir uns jeweils auch allein bewerben“, sagt Leiskau. „Und jetzt sollte ich mit dem Wettbewerb pitchen?“, wunderte er sich.

Im weiteren Gespräch wurde klar: Der Auftrag war sehr groß und vielfältig, es ging um die externe und interne Kommunikation der Ingolstädter. Mit den unterschiedlichen Schwerpunkten der beiden Agenturen hätte man einfach ein noch attraktiveres Angebot, um sich von anderen Bewerbern abzuheben. Und so beschlossen Heilmann und Leiskau, es miteinander zu versuchen.

Mit einer anderen Agentur zusammenzuarbeiten, um das eigene Leistungsportfolio zu erweitern, ist gängige Praxis in der Branche. 64 Prozent der Agenturen im DACH-Raum sind zwischen 2018 und 2020 mindestens eine solche Geschäftsbeziehung eingegangen oder planen, es zu tun, zeigt eine Umfrage der Agenturbörse Agency Arrangement aus dem Jahr 2020. Weitere 24 Prozent suchen zwar keinen Partner, sind aber aufgeschlossen dafür.

Ist der Auserwählte ein Wettbewerber, sprechen Experten von „Coopetition“, einem Kofferwort aus „Cooperation“ und „Competition“. „Möglicherweise klingt es etwas paradox, mit der Konkurrenz zu kooperieren“, sagt Alexander Cisik, Organisationsund Arbeitspsychologe an der Hochschule Niederrhein. „Wer möchte schon seine Ressourcen und seinen Gewinn mit jemand anderem teilen, man wünscht sich doch eher das größte Stück vom Kuchen.“

In manchen Fällen gibt es aber ohne Kooperation gar keinen Kuchen, weil eine Agentur allein die geforderte Mindestgröße, die nötigen Referenzen, das Know-how oder das erforderliche Personal nicht mitbringt. „Motivation für die Zusammenarbeit ist, gemeinsam mehr zu erreichen, als man es allein würde, zum Beispiel um kurzfristig Produktionsmöglichkeiten zu gewinnen“, erklärt Cisik.

Statt für einen großen Auftrag zwanzig neue Mitarbeiter einzustellen und sie dann schlimmstenfalls nach Ende des Projekts wieder entlassen zu müssen, kann die Partneragentur Abhilfe leisten. „Zudem können Unternehmen auf diese Weise wechselseitig Know-how zukaufen“, sagt Cisik. Das können fachspezifische Kompetenzen sein, die zur Erfüllung des Auftrags fehlen, oder auch einschlägige Projekterfahrungen.

Bei Iris Heilmann und Jan Leiskau war es ein bisschen von alledem. Sowohl Palmer Hargreaves als auch Solutions kennen sich mit Content-Produktion aus, sind sich auch schon in anderen Pitches begegnet – als Kontrahenten. […]

Dieser Text ist ein Auszug. Die vollständige Analyse lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe August 2022.