Die Versuche von Unternehmen und Verbänden, kritische Journalisten unter Druck zu setzen und Berichterstattung zu verhindern, haben zugenommen. Uwe Ritzer, Wirtschafts- und Investigativreporter der Süddeutschen Zeitung, meint: Es ist an der Zeit, dass sich beide Seiten wieder auf ihre Kernaufgaben besinnen.

Zugegeben, Kommunikatoren von Unternehmen und Verbänden haben es mit unsereins schwerer als früher. Die gelegentliche Pressemitteilung, die Pressekonferenz einmal im Jahr – anders als noch vor wenigen Jahren reichen sie als Kommunikations- Tools längst nicht mehr aus. Auch über Kurznachrichtendienste und soziale Netzwerke lässt sich nicht jedes Thema sinnvoll darlegen – und zur Beantwortung von speziellen Anfragen taugen sie sowieso nicht.
Je diversifizierter die Medienwelt insgesamt wurde und wird, desto unübersichtlicher und individueller werden die Ansprüche von Journalistinnen und Journalisten. Und natürlich wollen sie ihre Fragen schnell und umfassend beantwortet haben. Schließlich ist viel digitalgetriebenes Tempo im medialen Alltag. Und – das sei nicht verschwiegen – mehr Aufgeregtheit, auch künstliche. Einen Redaktionsschluss, nach dem sich Fragesteller und Befragte bis zum nächsten Tag abkühlen konnten, gibt es nicht mehr. Das Nachrichtengeschäft läuft pausenlos auf Hochtouren.
Die Kommunikationsabteilungen von Unternehmen und Verbänden haben sich der neuen Zeit angepasst, quantitativ zumindest. In den vergangenen Jahren wurden flächendeckend PR-Abteilungen und Pressestellen personell aufgerüstet. Viele Konzerne und Verbände haben inzwischen Newsrooms eingerichtet und beschäftigen in Schichtmodellen deutlich mehr Kommunikatoren als heruntergesparte Wirtschaftsressorts Redakteure haben.
Schiere Quantität garantiert allerdings nicht automatisch mehr Qualität in der Kommunikation. Was sich tendenziell in den vergangenen Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert hat, ist der Umgang von Kommunikatoren mit kritischen, mit investigativen Anfragen von Journalisten.
Selbst gut ausgestattete Pressestellen gehen mit entsprechenden Fragen(katalogen) nicht selten organisatorisch und handwerklich dilettantisch um. Ob aus Angst vor dem, was da möglicherweise an unangenehmen Themen auf sie und ihren Arbeitgeber zurollt, aus Arroganz („Sollen die doch schreiben, was sie wollen“), aus Verunsicherung oder mangels Know-how. Und natürlich gibt es auch solche Unternehmen, die schlicht und einfach etwas zu verbergen haben.
Aus alledem heraus hat sich ein fragwürdiges Ritual entwickelt. Sobald eine unangenehme, weil kritische, bohrende und womöglich auch noch umfangreiche Journalistenanfrage eintrifft, setzt selbst bei großen, renommierten – sagen wir mal: Versicherungen, Banken oder Prüforganisationen – ein kurioser Reflex ein: Der Kommunikationschef ist für den Fragesteller respektive die Fragestellerin nie persönlich erreichbar. Überhaupt sind alle Kommunikationsoffiziere plötzlich anderweitig ganz wichtig unterwegs und haben keine Zeit für ein persönliches (Vor-) Gespräch.
Das mögen auch Psychospielchen sein, die suggerieren sollen: „Was Du da fragst, ist doch kein Thema“, „Für so einen Quatsch habe ICH doch keine Zeit“ oder „Wir hängen das niedrig“. Vielleicht ist aber schlichtweg Feigheit der Grund für dieses Untertauchen und die Absicht, sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen.
Lästige, weil aufwendige und inhaltlich heikle Fragen werden dann erfahrungsgemäß hierarchisch nach unten durchgereicht, bis sich am Ende der Befehlskette ein Fußsoldat (m/w/d) der Kommunikationseinheit findet, der die Bearbeitung nicht mehr ablehnen, sprich weiter nach unten durchreichen kann. Dabei fehlen ihm oder ihr oft schlicht Einblick und Perspektiven, um adäquate Auskünfte zu geben.
Nicht selten haben der journalistische Fragesteller oder die Fragestellerin längst mehr Insider-Wissen angesammelt, als es der Fußsoldat binnen kurzer Zeit erwerben kann. Zumal er/sie mangels Schulterklappen auch nicht die Befehlsgewalt hat, um inkriminierte Instanzen im eigenen Haus zu Auskünften und zur Mitarbeit zu zwingen. Er/Sie muss nehmen, was er/sie kriegt.
Aus der Sicht der abgetauchten Kommunikationsoffiziere hat dieses Durchreichmanöver den praktischen Kollateralnutzen, dass sie schnell einen untergeordneten Schuldigen haben, wenn die Sache kommunikativ schiefgeht. Das tut sie tatsächlich oft, […]
Dieser Text ist ein Auszug. Den vollständigen Standpunkt lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe August 2022.