Vor einem Jahr ging Bild TV an den Start. Journalistische Online-Angebote wie dieses leben von zugespitzten Headlines und vereinfacht dargestellten Zusammenhängen. Die Unternehmenskommunikation stellt das vor Herausforderungen – vor allem, wenn es um komplexe Themen wie die Nachhaltigkeitsbemühungen der Wirtschaft geht.

Ist das über Jahrzehnte so erfolgreiche Wirtschaftsmodell ‚Made in Germany‘ am Ende?“, fragt Moderatorin Nena Schink im Juli bei „Viertel nach Acht“, der Primetime-Sendung von Bild TV. Im Hintergrund sind Aufnahmen eines Mercedes-Sterns zu sehen, dann ein Reifen von Continental und ein Lastwagen von HeidelbergCement.
Mit Schink im Studio sitzen allerdings nicht Geschäftsführer oder Vorstände besagter Unternehmen, sondern eine ehemalige Grünen-Politikerin, ein Comedian, ein – laut Bauchbinde – „Kult-Sportreporter“ und ein Bild-Redakteur. These des Abends: Deutschland müsse endlich aufwachen, das Land werde zum „kranken Mann Europas“. In nur elf Minuten diskutiert die Runde über die Probleme deutscher Konzerne und Mittelständler, es geht um den Krieg, die Energiekrise, die Pandemie und Lieferkettenprobleme.
Bild TV, ein Ableger der WeltN24-Sendergruppe, feierte im August seinen ersten Geburtstag. Eine eigenständige Wirtschaftssendung gibt es bei dem Privatsender nicht. Das bedeutet aber nicht, dass Wirtschaft kein Thema wäre – im Gegenteil: Bei „Viertel nach Acht“ sprechen die Studiogäste in letzter Zeit häufig über Sanktionen, steigende Preise oder den Euro.
Die Vertreter der Unternehmen, die konkret betroffen sind, werden von den Bild-TV-Reportern indes nicht nach ihrer Meinung gefragt. Stattdessen konsultieren die Journalisten prominente und polarisierende Persönlichkeiten aus Politik und Unterhaltung: Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht zum Beispiel, Ex-AfD-lerin Frauke Petry oder Modedesigner Harald Glööckler.
Bild-Sprecher Christian Senft ordnet ein: „Bild TV ist ein News- und Entertainment-Sender. Wirtschaftsthemen sind dafür vor allem dann relevant, wenn sie die Menschen in unserem Land betreffen und diese über sie sprechen.“ Mit „Die richtigen Fragen“ und „Viertel nach Acht“ biete man außerdem meinungsbetonte Diskussionsrunden darüber und bereite Wirtschaftsthemen als Service-Beiträge auf.
Als Beispiele für Auftritte von Unternehmern bei Bild TV nennt Senft Ugur Sahin (16. Februar 2022), Frank Thelen (7. September 2021), Georg Kofler (21. September 2021), Dagmar Wöhrl (2. Dezember 2021), Götz Ruprecht (21. August 2022) und Utz Claassen (21. August 2022).
Der Sender ist Teil der Marke Bild – er verfügt nicht über eine separate Redaktion, die Inhalte liefern die jeweils thematisch zuständigen Bild-Redakteure. Ein klassisches Wirtschaftsressort gibt es nicht, die Wirtschaftsexperten der Redaktion sind an das Politikressort angegliedert.
Bild TV läuft nicht nur online auf der dazugehörigen Website sowie teilweise bei YouTube, sondern lässt sich auch als Sender im linearen Fernsehprogramm aufrufen – dort allerdings mit bislang eher mäßigem Erfolg. Im August, also fast ein Jahr nach dem Start, erreichte der Sender erstmals eine Quote von knapp über einem Prozent.
Bei YouTube sehen die Zahlen deutlich besser aus, dort werden die Videos aus der Boulevardredaktion häufig mehr als 100.000-mal geklickt, manche Stücke knacken sogar die Millionenmarke. Viele Videos generieren mehrere tausend Kommentare, in denen die Zuschauer mitdiskutieren.
Christian Lawrence, Partner bei der Kommunikationsberatung Brunswick und ehemaliger Kommunikationschef der Munich Re, blickt daher zwiegespalten auf Bild TV: „Einerseits erhöht das Programm die Medienvielfalt und bietet eine Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, sagt er. „Auch betriebswirtschaftlich macht die Idee Sinn, als reichweitenstärkstes Medium einen TV-Ableger zu gründen – auch wenn sich das bislang nicht in den Quoten widerspiegelt.“ Für Unternehmenskommunikatoren kann Bild TV aber schnell zum heißen Pflaster werden […]
Dieser Text ist ein Auszug. Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe September 2022.