Teures Gemüse, Marken, die aus den Regalen verschwinden und dadurch frustrierte Kunden: Die Lebensmittelindustrie leidet unter den Folgen von Pandemie und Krieg, Energieknappheit und Inflation. Einer, der dagegen an kommunizieren will, ist Lobbyist Christoph Minhoff. Neben den großen Krisen beschäftigt ihn zurzeit vor allem ein Scharmützel mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir.

prmagazin: Herr Minhoff, wie viele Medienanfragen zum Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel haben Sie diese Woche schon bekommen? [zwischen 10. und 12. April; Anm. d. Red.]
Christoph Minhoff: Eine ganze Menge. Das ist für uns gerade das Thema Nummer eins, und ein sehr emotionales noch dazu. Wir haben uns entschieden, aktiv auf ein paar Aspekte hinzuweisen, die in der bisherigen öffentlichen Debatte nicht genug beleuchtet werden, etwa dass auch Lebensmittel, die sich nicht in erster Linie an Kinder richten, wie Käse oder Schinkenwurst, betroffen wären. Dass ein Verband so konfrontativ vorgeht, ist wiederum nicht jeder gewohnt. So langsam haben wir aber das Gefühl, dass die Debatte in die richtige Richtung geht, dass die inhaltlichen Argumente gegeneinander abgewogen werden
Sie fühlen sich also ausreichend gehört?
Ich fühle mich ausreichend gehört, aber nicht verstanden. Das liegt daran, dass man hierzulande die Vorstellung hat, dass der klassische Lobbyist und Industrievertreter niemals recht haben könne.
In der Gegenkampagne #liebermündig gehen Sie Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sehr direkt an. Verhärten sich dadurch die Fronten nicht noch stärker?
Das Ministerium hat mit großem Aufwand eine Kampagne gestartet, um das Werbeverbot zu pushen. Das Problem: Es geht nur dem Schein nach um an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Am Ende betrifft das Verbot Werbung für viele Lebensmittel und Zielgruppen. Mich ärgert, dass das Ministerium nicht wenigstens ehrlich sagt: Wir wollen in Deutschland einen anderen Ernährungsstil fördern. Stattdessen versteckt man sich hinter dem Kinderschutzthema. Dem wollen wir etwas entgegensetzen. Ich glaube im Übrigen, Cem Özdemir hat, wie ich selbst auch, ein ziemlich dickes Fell. Es ist auch nicht so, als stünden wir mit ihm oder dem Ministerium generell auf Kriegsfuß. Ich schätze ihn, und in manchen anderen Fragen sind wir uns einig. Hier aber eben nicht, und das sollte man auch als Verband klar benennen.
Insgesamt kann man aber schon den Eindruck gewinnen, dass Ihnen die Ampelregierung die Lobbyarbeit schwerer macht. Oder?
Das sehe ich nicht so, und es spielt auch keine Rolle, weil die Mehrheit der Wähler bestimmt, wer regiert, und wir uns sowieso damit anfreunden müssen. Wir werden von der Politik mit Ideen konfrontiert und müssen uns als Verband dazu positionieren. Ich kann Ihnen versichern, mit der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner war es auch nicht immer einfach. Unsere Aufgabe ist nicht, irgendwelche Produkte zu verteidigen oder Lebensstile zu promoten. Sondern den Korridor offen zu halten, damit sich jeder nach einem Gang in den Supermarkt vor Ort so ernähren kann, wie er möchte.
Gerade junge Menschen vertreten zunehmend die Auffassung, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, den Planeten zu schützen, auch was die Nahrungsmittelproduktion betrifft. Etwa über Tierwohlstandards, Bioprodukte etc. Nehmen Sie eine zunehmende Moralisierung der Debatte wahr?
Das ist ein alter Kampf zwischen Liberalismus und denen, die glauben, dass es mehr staatliche Lenkung geben sollte. Ich gehöre dem ersten Lager an. Es ist eine tolle Entwicklung, dass die Zahl der Menschen steigt, die sich bewusst ernähren. Aber hat dieses soziale Milieu das Recht, anderen Milieus Vorschriften zu machen? […]

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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Mai 2023.