Die Rüstungsindustrie hat seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine einen radikalen Imagewandel erlebt. Das Marketing- und Kommunikationsteam des Radar- und Sensorproduzenten Hensoldt unter Führung von Joachim Schranzhofer beobachtet eine „mediale Zeitenwende“ – und hat seither noch deutlich mehr zu tun.

Ich arbeite für ein Rüstungsunternehmen – bis vor Kurzem wäre dieser Satz auch bei Hensoldt nicht jedem leicht über die Lippen gegangen. Joachim Schranzhofer, Stefanie Hardell-Illgen und Lothar Belz kennen die hochgezogenen Augenbrauen, wenn die Sprache auf ihren Job kommt. Marketing und Kommunikation für potenziell tödliche Exporte? Wie kann man das mit der eigenen Moral vereinbaren? Nicht nur für ausgemachte Pazifisten war das lange rätselhaft.
Erst am Tag des Redaktionsschlusses für diese Ausgabe lieferten Schlagzeilen über angeblich fragwürdige Hensoldt-Zahlungen bei Deals in Katar und Uganda neuen Stoff für Aufregung. Dennoch: Insgesamt hat sich mit dem Ukraine Krieg das gesellschaftliche und mediale Bild gewandelt. Das bemerken die drei Kommunikatoren des süddeutschen Rüstungselektronikherstellers deutlich. „Wir konnten hier nichts weniger beobachten als eine mediale Zeitenwende“, sagt Schranzhofer, Head of Communications and Marketing.
Zum einen schwinden die eingangs erwähnten Vorbehalte gegen die Branche zusehens. Zum anderen wächst das Interesse ganz generell: Hatten sich seit ihren Anfängen im Jahr 2017 hauptsächlich Fachmedien für die Airbus-Ausgründung Hensoldt interessiert, klopfen nun vom Handelsblatt über die Süddeutsche Zeitung bis hin zur Welt auch überregionale Zeitungen bei Unternehmenssprecher Lothar Belz an, um sich erklären zu lassen, wie die im baden-württembergischen Ulm produzierten Sensoren und Radare funktionieren – die Produkte werden etwa in Raketenabwehrsysteme verbaut und dann in die Ukraine geliefert.
Oder die Journalisten bitten um ein Interview mit dem meinungsfreudigen CEO Thomas Müller, einem ehemaligen Soldaten und Militärkenner, um seine Einschätzung zur weiteren russischen Kriegsführung abzufragen. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besuchte im Januar die Ulmer Produktionshallen, um sich vor Ort die Hightech-Produkte anzuschauen.
Wie fühlt es sich an, plötzlich so im Rampenlicht zu stehen? „Ein bisschen rechnet man damit, dass es im Anschluss Kritik gibt: Wie kann der Kanzler nur dorthin fahren?“, gibt Belz zu. Aber zuletzt sei alles ruhig geblieben. „Viele Menschen haben ihr Bild von der Rüstung korrigiert, als sie im Zuge des Ukraine-Kriegs schmerzlich erkennen mussten, dass Produkte wie unsere leider doch sinnvoll sind und benötigt werden“, ergänzt Stefanie Hardell-Illgen, die das Team für Marketing und Online-Kommunikation leitet, in der gemeinsamen Gesprächsrunde.
Dennoch wirkt das kritikerprobte Hensoldt-Trio fast überrascht, heute auf mehr aufrichtiges Interesse an den eigenen Themen zu stoßen. Mehr denn je investiert das Presseteam in laientaugliche Erklärungen ihrer Produkte. Denn die sind seit der russischen Invasion kein Nischenthema mehr.
Schranzhofers Team hat wahrlich andere Zeiten erlebt – etwa regelmäßige Demonstrationen von Rüstungsgegnern vor dem Besuchertor in Ulm. „Schon während Corona waren das dann irgendwann nur noch ein paar ergraute Alt-68er mit ihren Fahrrädern“, sagt Belz. Heute sei der Protest vor den Toren quasi eingeschlafen.
Das einzig durchgängig negative Narrativ ist, dass Hensoldt als Krisenprofiteur tituliert wird. Nervt das? „Daran sind wir gewöhnt“, sagt Belz lakonisch. „Ich sage dann immer: Ist eine Versicherung ein Nutznießer, wenn es um die Angst vor einem Großbrand geht?“ Die Schmuddelkind-Branche Rüstung kennt sie nur zu gut, die Debatten über Geopolitik und Moral, die etwa Autokonzerne erst seit Kurzem öffentlich ausfechten müssen.
Schranzhofer, Hardell-Illgen und Belz waren bei Hensoldt von Anfang an dabei. Das Unternehmen wurde 2017 als Spin-off der Verteidigungselektroniksparte der Airbus Group unabhängig und hat sich von der früheren Konzernmutter gelöst.
Der 55-jährige Schranzhofer leitete das Konzernmarketing von Rheinmetall, als er das Angebot von Hensoldt bekam, die dortige Kommunikationsabteilung komplett neu aufzubauen. „Alles stand bei Null, jeder Social-Media-Kanal, die Markenbildung. Was für eine Chance, in einem neu geschaffenen Unternehmen die Kommunikationsfunktion zu etablieren. […]

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Juni 2023.
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