Bekenntnis zur Wende

Die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland sind abgeschaltet. Am 15. April 2023 endete eine Ära, die 60 Jahre lang für Kontroversen gesorgt hat. Wie kommuniziert man einen Abschied, der nach Russlands Angriff auf die Ukraine plötzlich doch noch mal infrage stand? Das wollten wir von den Betreibern EnBW, PreussenElektra und RWE wissen. Im Detail wollte nur EnBW Einblick geben. Von PreussenElektra finden sich immerhin einige mediale Äußerungen.

Block II des EnBW-Kernkraftwerks Neckarwestheim in Betrieb.

Von der ersten Euphorie über die Anti-AKW-Bewegung der 1970er und 80er Jahre bis hin zum Aus für die letzten Kernkraftwerke am 15. April 2023 – kaum ein Thema wurde in Deutschland über einen so langen Zeitraum so aufgeladen diskutiert wie die friedliche Nutzung der Atomenergie. Generationen haben sich an ihr abgearbeitet.

Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der davon ausgelösten Energiekrise flammte die Diskussion erneut auf – mit dem Ergebnis, dass der eigentlich für Ende 2022 geplante Atomausstieg noch einmal um dreieinhalb Monate nach hinten verschoben wurde. „Die Kontroverse über die Kernenergie war die größte öffentliche Kontroverse in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik“, resümiert Joachim Radkau, Umwelthistoriker und Autor des Standardwerks „Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft“.

Eine schwierige kommunikative Aufgabe für die drei Betreiber EnBW, PreussenElektra und RWE, die als letzte ihre Meiler Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland vom Netz nahmen. „Die Diskussion ging sofort nach dem Angriffskrieg los und hat uns ein ganzes Jahr lang beschäftigt“, sagt Carsten Müller, Standortleiter bei PreussenElektra am Kraftwerk Isar 2.

Als dann im November 2022 entschieden wurde, dass die Kraftwerke nicht noch weitere Jahre, sondern nur noch dreieinhalb Monate länger laufen sollten, habe PreussenElektra trotzdem viel Arbeit damit gehabt: „Wir mussten uns mit der Behörde abstimmen, die Anlage mit einem Kurzstillstand vorbereiten, hatten sehr viel Mühe mit der Öffentlichkeit“, so Müller.

Auch bei EnBW klopfte die Öffentlichkeit unverhältnismäßig oft an. 2022 gingen etwa fünfmal so viele Medienanfragen zum Thema Kernkraft ein wie in anderen Jahren, berichtet Pressesprecher Lutz Schildmann, zuständig für die Kommunikation der Kernkraftsparte des Karlsruher Unternehmens. „Wir mussten uns also selbst kaum Gedanken dazu machen, über welche Kanäle wir welche Informationen verbreiten wollten, denn das wurde schlicht von außen, durch die unglaubliche Flut von Anfragen, bestimmt.“

Einige größere Pressetermine organisierte sein Team dennoch, um die Medien rechtzeitig zu informieren und bei der Berichterstattung zu unterstützen – und zwar zu solchen Themen, bei denen man das massive Medieninteresse schon im Vorfeld kommen sah.

Bei einem Termin erklärte EnBW beispielsweise, wie das Abschalten des AKW Neckarwestheim 2 technisch funktioniert und wie es danach weitergeht. „In den Wochen vor der Abschaltung häuften sich die Fragen dazu extrem“, sagt Schildmann. „Es ist für Außenstehende sehr schwer, sich vorzustellen, wie das funktioniert. Man drückt schließlich nicht einfach auf einen Knopf, und dann war’s das.“

Ein weiterer Termin wurde im Dezember 2022 notwendig, als die Regierung den Streckbetrieb bis April beschlossen hatte. Und bereits im März 2021 hatte EnBW dazu eingeladen, den zehnten Jahrestag des Ausstiegsbeschlusses zu feiern, den die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2011 nach der Atomkatastrophe von Fukushima verfügt hatte.

Dass ein Unternehmen dazu einlädt, das unfreiwillige Aus für einen seiner wichtigsten Geschäftsbereiche zu feiern, verwundert auf den ersten Blick, passt aber zur Logik von EnBW: […]


Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Juni 2023.

Möchten Sie weiterlesen? Klicken Sie hier, wenn Sie ein Jahres- oder Probeabo abschließen oder ein Einzelheft bestellen möchten.