Klimawandel der Kommunikation

(Illustration: anson_adobe/Adobe Stock)

Minderheiten schaffen neue Spielregeln für gesellschaftliche Auseinandersetzungen, während das Vertrauen in institutionelle Kommunikation drastisch gesunken ist. Jan Sass, Gründungspartner von Lautenbach Sass, meint: Unternehmen brauchen eine neue Kommunikationspolitik. Sie müssen auf das Leugnen von Fakten antworten und ihre gesellschaftspolitische Rolle anders definieren.

Wer heute öffentlich eine kontroverse Auffassung äußert, muss mit Wut und persönlicher Herabse tzung rechnen. Was nicht mit der eigenen Wahrnehmung übereinstimmt, wird aus der Realität getilgt. Fakten sind in vielen Fällen nur noch eine Knetmasse für das eigene Weltbild.

Die Wahrheit ist in Verruf geraten, und der fahrlässige Umgang mit ihr kontaminiert gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Ein Brennpunkt dieses Klimawandels der Kommunikation ist die Corona- Pandemie, in der die Problemlöser der Krise als deren Verursacher gelten und bedroht werden.

„Business societal role is here to stay“,
heißt es im aktuellen Edelman Trust Barometer. Unternehmen müssen sich dauerhaft mit
ihrer neuen gesellschaftlichen Rolle befassen.

Jan Sass

Das ist aber nur ein Symptom dafür, wie sehr eine rationale Argumentation heute an ihre Grenzen stößt. Soziale Verrohung, Verbotszonen für andere Meinungen und ein wachsender Konformitätsdruck gehören unmittelbar zusammen. Nach einer Allensbach-Umfrage glaubte 2021 weniger als die Hälfte der Deutschen (45 Prozent), dass man seine Meinung frei sagen könne. 2011 waren es noch zwei Drittel.

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen spricht von der Krise des Diskurses in einer „Empörungsdemokratie“, ja sogar von einer „Wahrheitskrise“. Laut Edelman Trust Barometer hat sich das Vertrauen gegenüber institutioneller Kommunikation erheblich verringert. In Deutschland ist es von 2021 auf 2022 um sieben Prozentpunkte gefallen – nur noch 46 Prozent glauben den Informationen von Regierungen und Medien.

Unternehmen stehen im Vergleich etwas besser da, vor allem wenn die Informationen vom eigenen Arbeitgeber kommen. Sie können diesen Vertrauensvorschuss in der internen Kommunikation strategisch nutzen, um Sachargumente über die Netzwerke ihrer Mitarbeitenden auch in die Gesellschaft zu tragen.

Allgemein geht die Fähigkeit verloren, mit mehrdeutigen Situationen umzugehen und eine langsame Meinungsbildung zuzulassen. Der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset benennt dieses Phänomen mit dem Begriff schwindender „Ambiguitätstoleranz“. Das Abwägen aber und die Offenheit gegenüber anderen Argumenten sind notwendig, um einen gemeinsamen Willen zur Lösung gesellschaftlicher Fragen zu entwickeln. „Die Grundlage für Politik“, sagt Indset, „ist eine Welt, in der es in Ordnung ist, unterschiedliche Meinungen zu vertreten, und in der wir verstehen wollen.“

Dass das immer seltener gelingt, ist meist nicht auf Böswilligkeit zurückzuführen. […]

Dieser Text ist ein Auszug. Den kompletten Standpunkt lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe Februar 2022