Die „größte Wette der Luftfahrt“ (Die Welt)? „Hochstapelei“ (Aerokurier)? Medien haben Lilium und seinen elektrischen Senkrechtstarter-Jet lange skeptisch begleitet. Dass das Unternehmen längst kein „Flugtaxi“ mehr bauen will, ging vielen dabei glatt durch. Das Start-up versprach eben viel, wollte aber kaum etwas zu den Details seiner Technik sagen. Meredith Bell soll die Lilium- Kommunikation nun transparenter machen – unter anderem mit der Hilfe von Ex-Airbus-Sprecher Rainer Ohler.

Frau Bell, gleich zu Beginn die Gewissensfrage: Funktioniert die Lilium-Technik überhaupt?
Meredith Bell: Ja, natürlich, wieso fragen Sie?
Weil es nur Videos gibt, die zeigen, dass der Lilium- Prototyp startet und ein paar Kreise über dem Flugfeld dreht. Niemand hat je gesehen, wie er in den schnellen Gleitflug übergeht. Warum nicht?
Ganz einfach: Der Demonstrator hat diesen Übergang noch nicht vollständig durchlaufen, also kann es auch kein Filmmaterial davon geben. Das heißt aber nicht, dass es nicht funktioniert. Unsere Flugtests waren bisher auf das Flughafengelände beschränkt. Wir durften gar nicht mit voller Geschwindigkeit fliegen. Aber noch in diesem Jahr starten wir ausführliche Tests kompletter Flüge in Spanien. Dazu werde ich dann auch Journalisten einladen, damit die sich selbst ein Bild machen können.
Die Frage des Übergangs vom Schweben zum Gleiten ist nicht der einzige Kritikpunkt. Es gibt auch Zweifel, ob heute verfügbare Akkus stark genug für die Reichweite sind, die Lilium verspricht …
Diese Debatten haben sich aus meiner Sicht erledigt. Unser Gründer Patrick Nathen und Technikvorstand Alastair McIntosh haben Mitte vergangenen Jahres ein Paper veröffentlicht, in dem sie fast die gesamte Technik beschreiben. Wir haben es einem Peer Review der führenden Luftfahrtprofessoren der Universitäten Berlin, Stuttgart und Cambridge unterzogen und danach veröffentlicht. Sie können es jetzt auf unserer Website lesen. Wir haben auch einen Blog für Nicht-Ingenieure erstellt. Dann haben wir Interviews mit Fachjournalisten und einigen Mainstream- Publikationen gemacht. Wir haben damit Verständnis gewonnen.
Warum kamen diese Erklärungen erst so spät?
Wir haben uns lange recht bedeckt gehalten zu unserer Technologie. Das hatte vor allem Wettbewerbsgründe. Anfang 2021 hatten wir jedoch viel Fortschritt in der Entwicklung erreicht und auch die entsprechenden Patente eingereicht. Das Management sah sich nun sicher genug, dass wir uns öffnen. Das ging vorher einfach nicht. Elektrische Senkrechtstarter sind ein hochkompetitiver Markt.
Und dafür hatte die Presse kein Verständnis? Das hätte man doch erklären können.
Vieles von dem, was Sie hier ansprechen, war vor meiner Zeit. Dazu kann ich nicht viel sagen. Allerdings glaube ich, dass deutsche Journalisten insgesamt strenger mit Lilium umgegangen sind als ihre Kollegen aus anderen Ländern. Aber das ist ihr gutes Recht.
Vielleicht liegt es daran, dass die Lilium-Gründer bei jeder Gelegenheit die Revolution der Branche ausrufen, sich dann aber auffällig bedeckt halten, wenn es mal kritisch wird. Was meinen Sie? Anfang 2020 ging zum Beispiel einer Ihrer Prototypen in Flammen auf. Es dauerte fast ein Jahr, bis Lilium etwas zu den Gründen sagte und zugab, dass ein Wartungsfehler bei den Akkus schuld war.
Auch das war vor meiner Zeit. Es wurde schlicht lange ermittelt – die Luftfahrt ist hochreguliert, und als Hersteller können Sie nicht über die Ursachen für einen solchen Fehler sprechen, bevor die Behörden nicht zu einem Urteil gelangt sind. Übrigens handelte es sich bei diesem Prototyp um eine frühe Version, nicht viel anders als die Apparate, die unsere Gründer in ihrer Wohngemeinschaft zusammengebaut hatten. Das ist kein Vergleich zum jetzigen Demonstrator.
Als Lilium im September vergangenen Jahres an die Börse ging, ließen deutsche Redaktionen auch daran kein gutes Haar. Das sei kein vollwertiger Börsengang, hieß es, weil Lilium eine sogenannte Special Purpose Acquisition Company (SPAC) genutzt hatte. Und: Man sammelte viel weniger Geld ein als erhofft.
Aus unserer Sicht war das ein ganz normaler und erfolgreicher Börsengang. Was war jetzt die Frage?
Lassen Sie es mich so formulieren: Wie wollen Sie es schaffen, dass speziell deutsche Journalisten dem Unternehmen mit einer positiveren Grundhaltung begegnen?
[…]
Dieser Text ist ein Auszug. Das komplette Interview lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe Februar 2022