Dass Künstliche Intelligenz alles auf den Kopf stellen wird, schrieb Christian Lawrence schon 2017 im Auftakt-Beitrag unserer „Standpunkt“-Reihe. Wie blickt der damalige Munich-Re-Kommunikationschef und heutige Senior Counsellor bei der Brunswick Group sechs Jahre später auf Chancen und Risiken der Informationsvermittlung mithilfe von KI?

Eine Vorbemerkung: Dieser Text ist nicht mit ChatGPT geschrieben. Ich habe es aber probiert. Das Ergebnis taugt für einen ersten Überblick (versuchen Sie es auch!), aber es fühlt sich „langweilig“ an. Ich bekam eine Liste von „A“ für schneller beantwortete Anfragen bis „V“ für effizientere Vertriebsunterstützung.
Die wichtige Frage, wie sich Unternehmen im Aufmerksamkeitswettbewerb besser positionieren können, blieb unbeantwortet. Ich las auch nichts dazu, was ChatGPT, Bard, GrammarlyGO und Co für die Stellen und die Jobprofile in unserer Profession bedeuten. Und schließlich bleibt die Grundsatzproblematik: „Kann man KI-gestützten Texten oder Sprachaussagen eigentlich trauen?“
Unverändert das Hauptproblem: Wie erhöhe ich die Kommunikationswirkung?

Die allermeisten klassisch aufgestellten Kommunikationsbereiche arbeiten zu langsam, um in der täglichen Flut von Nachrichten mehr oder weniger sofort Antworten zu liefern.
Christian Lawrence
ChatGPT und andere KI-gestützte Tools müssen im Licht des Hauptproblems guter Unternehmenskommunikation betrachtet werden: der Frage der Wirkung. Bei der klassischen PR ist das die Anzahl der Artikel, einzelner Statements und deren Tonalität – in dem Medienset, national oder international, dass ich als für mein Unternehmen relevant definiert habe. Auf sozialen Plattformen wiederum definiert sich die Wirkung anhand der Reichweite und des Grads des Engagements, also der Likes, Retweets und so weiter.
Die enorme Beschleunigung der Medienberichterstattung, die Vielfalt der Titel, die laufende Aktualisierung der Online-Plattformen machen es schwieriger, innerhalb dieses Grundrauschens noch als eine Stimme wahrgenommen zu werden. Besonders deutlich wird das Problem auf digitalen Kanälen. „Meinungsführer“ für etwas sein zu wollen, ist ein Ziel, das heute noch viel komplizierter zu erreichen ist als früher.
Der Zusammenhang mit ChatGPT liegt auf der Hand. Die allermeisten klassisch aufgestellten Kommunikationsbereiche arbeiten zu langsam, um in der täglichen Flut von durchaus relevanten Nach-richten mehr oder weniger sofort Antworten zu liefern, aus denen sich dann Wirkung im oben definierten Sinn ergibt. Für ein erfolgreiches Agenda Surfing ist aber genau das nötig. Wer zum Beispiel als Versicherer eine Woche braucht, um zu einem spektakulären Schadenereignis Einordnungen zu geben, darf sich nicht wundern, wenn dieses in der Zwischenzeit von konkurrierenden Nachrichten „überholt“ wurde.
In der Autoindustrie wären das, analog angewendet, eine technische Innovation, eine politische Entscheidung zur Ladesäuleninfrastruktur oder zu CO2-Emissionen. Banken etwa äußern sich zu Leitzinsveränderungen, Pharmaunternehmen zu Neuigkeiten bei der Forschungsförderung. Die Liste der Beispiele, bei denen Unternehmen auf der „Welle“ mitschwimmen und schneller als andere eine Stellungnahme abgeben könnten, ließe sich beliebig verlängern.
Ein KI-Tool wie ChatGPT, das auf Knopfdruck aus intern verfügbaren Dokumenten, Schadenstatistiken, Fachberichten etc. eine Stellungnahme zusammenstellt, wäre Gold wert. Erste Produkte wie Imory (KI-gestützter Newsroom) scheinen dieses Thema aufzugreifen, indem sie das Sprachmodell von ChatGPT mit unternehmenseigenen Quellen „füttern“.
In der Kombination mit proprietärem Content kann auf diese Weise eine bis dahin unerreichte Relevanz erzeugt werden, die auch noch durch Vorschläge für eine themengenaue Bebilderung ergänzt wird. Wohlgemerkt nicht notwendigerweise besser, aber schneller. Und im Wettbewerb um Aufmerksamkeit kommt es, anders als früher, in erster Linie auf Schnelligkeit an.
Unverändert herausfordernd ist aber für viele Unternehmen, externe Ereignisse zu erkennen, aus denen sich Kommunikationschancen ergeben. […]

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Juni 2023.
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