Die Geradlinige

Maja Weihgold, Kommunikationschefin der Berliner Verkehrsbetriebe (Foto: prmagazin/Jan Michalko)

Als Maja Weihgold 2022 als Kommunikationschefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) startete, war der Bereich stark von Silodenken geprägt. Nun ist die große Transformation der Stabsstelle beinahe abgeschlossen. Nachhaltigkeit und Employer Branding spielen künftig eine deutlich größere Rolle.

Es ist ein halbes Jahr her, dass sich Maja Weihgold zuletzt über die BVG geärgert hat. Die Kommunikatorin kam spätabends von einer Veranstaltung zurück und strandete auf der Berliner Friedrichstraße. Wegen einer Baustelle war die U-Bahn unterbrochen, stattdessen fuhr nur der Schienenersatzverkehr (SEV), erzählt sie. „Aber den Bus zu finden, das war nahezu unmöglich, die Beschilderung uneindeutig.“ Notgedrungen nahm sie den E-Scooter nach Hause – und mahnte am nächsten Tag die Kollegen, die Fahrgastlenkung an dem Knotenpunkt nachzubessern.

Die 40-Jährige, die am liebsten mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, ist seit März 2022 für Deutschlands größtes Nahverkehrsunternehmen tätig. Ihr Lebenslauf ist deutlich geradliniger als das Streckennetz der Hauptstadt: Alle ihre Stationen hatten mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu tun.

Nach dem Volontariat kommunizierte sie für die Hamburger Hochbahn, wechselte anschließend zur Deutschen Bahn, wo sie mehrere Leitungspositionen in der Kommunikation innehatte. Dann stieß sie auf die Ausschreibung der BVG. „Zwischenzeitlich habe ich immer mal wieder überlegt, die Branche zu wechseln“, sagt Weihgold. „Aber das war eine tolle Chance, die ich unbedingt ergreifen wollte.“

Im Nachhinein hätte sie sich geärgert, wenn sie in jenen Tagen dem Thema den Rücken gekehrt hätte. Denn mit der politischen Entscheidung für das bundesweite 9-Euro-Ticket kurz nach ihrem BVG-Start richtete sich das Scheinwerferlicht plötzlich mehr als je zuvor auf den ÖPNV. Seither spielt in der Öffentlichkeit das Thema Nahverkehr eine riesige Rolle. Alle sprechen über die Zukunft der emissionsarmen Mobilität und warum es angesichts des Klimawandels notwendig ist, dass die Schiene Priorität bekommt.

Für Unternehmen wie die BVG ist es ein willkommener Umbruch: Statt als ewig gestrige Anstalten des öffentlichen Rechts gelten sie plötzlich als zukunftsweisend. „Das änderte sich fast über Nacht“, sagt Weihgold beim Besuch des prmagazins im obersten Stock des BVG-Hauptsitzes am Berliner Holzmarkt. „Während die Autoindustrie stets für neue Absatzrekorde gefeiert wurde, liefen wir jahrzehntelang praktisch unter dem Radar. Es ging schlicht darum: Wie bewegen wir Menschen von A nach B?“

Das sei nun anders, freut sie sich: „Heute sind wir auf Zukunfts- und Nachhaltigkeitstagungen zu Gast und sprechen über unseren Auftrag als Mitgestalterin einer lebenswerten Stadt der Zukunft, reichen dafür auch selbstbewusst unsere Ausbaupläne und Visionen an die Politik weiter.“

Hinter den Kulissen lief die Transformation von der Bürokratiehochburg zum Nachhaltigkeitspionier allerdings nicht ganz so elegant und geräuschlos an. Zuerst herrschte Verwirrung um die Verfügbarkeit des zeitlich begrenzten 9-Euro-Tickets, dann blieb eine Weile politisch unklar, mit welchem Tarif es in der Hauptstadt weitergeht.

Die Berliner Sonderlösung, eine Monatsfahrkarte für 29 Euro, wurde schließlich im Mai dieses Jahres vom bundesweiten Deutschland-Ticket abgelöst. Die Buchungs- und Abrechnungssysteme der BVG kamen nicht mit. Im Juni erschienen Negativschlagzeilen in diversen Hauptstadtzeitungen. Der Tagesspiegel schrieb: „Von wegen 49-Euro-Ticket: BVG bucht etlichen Kunden zu viel Geld ab“.

Für die Kommunikation kamen die Pannen nicht überraschend, ordnet Weihgold ein: „Es war klar, dass wir nicht über Nacht unsere Vertriebssysteme austauschen können. Und wenn knapp eine Million Menschen gleichzeitig ihr Abonnement ändern, während es davor monatlich wenige tausend waren, dann geht technisch auch mal was schief.“

Gegenüber Kunden und Journalisten bleibe da nur eine Möglichkeit: die eigenen Herausforderungen zu erklären und offen und ehrlich mit den Problemen umzugehen. […]


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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Juli 2023.