
Es muss keine Luxus-Pressereise sein – doch wer den persönlichen Austausch zwischen Unternehmen und Journalisten abschafft, zahlt ebenfalls einen hohen Preis. Auf der Strecke bleiben das tiefere Verständnis für Firmenbelange, Zwischentöne, Einordnung. Georg Meck, Wirtschaftschef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und ab Oktober Chefredakteur von Focus Money, warnt: Die Medien sind in Gefahr. Ohne Investitionen – zeitlicher wie finanzieller Natur – setzen sie ihre Relevanz aufs Spiel.

Als wir vor ziemlich genau 20 Jahren mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an den Start gingen, hieß der Vorstandschef von Siemens Heinrich von Pierer, ein Mann, der damals für höchste und allerhöchste politische Ämter gehandelt wurde. Ähnliche Jobperspektiven tun sich aktuell für keinen Unternehmensführer auf, nicht mal für Joe Kaeser, den Annalena-Baerbock-Fan unter den diversen Pierer-Nachfolgern.
Das Verhältnis der Wirtschaft zur Politik hat sich grundsätzlich geändert, die Beziehungen zwischen Unternehmen und Medien ebenso. Anfang des Jahrtausends gehörte es für Siemens-Berichterstatter zum Pflichtprogramm, den Vorstandschef auch mal zehn Tage nach China zu begleiten. Im großen Tross flogen wir damals von München nach Schanghai, bestaunten den kapitalistischen Aufbruch dort, ohne dass die Siemens-Reiseführer vergessen hätten, auf den Beitrag ihres Konzerns und ihres großen Vorstandsvorsitzenden an diesem Aufschwung hinzuweisen.
War derlei verwerflich? Nicht unbedingt. Auf das Ergebnis, den Ton der Berichte kam es an. Aufwendig war dieser Einsatz in jedem Fall, teuer für den Konzern sicher auch, der Einsatz musste sich in Veröffentlichungen, Bildern wie Artikeln, gegenrechnen lassen. Manchmal ging die Kalkulation auf, manchmal nicht. Offensichtlich versprach sich die Kommunikationsabteilung etwas von der Reiserei.
So präsentierte Siemens die Halbjahreszahlen traditionell an ausgewählten Plätzen Europas, überall, nur nicht am Stammsitz am Wittelsbacher Platz in München. Jedes Frühjahr machte sich daher eine Reisegruppe auf zu einem Mehrtages-Trip, bezahlt selbstverständlich vom Konzern. An Bord tauschten die Veteranen sogleich ihre Anekdoten aus: von wackligen Fliegern, streikendem Bodenpersonal und aus der Rolle gefallenen Managern.
Der journalistische Zusatznutzen dieser Reisen war überschaubar, der touristische Mehrwert unstrittig. Spätestens mit dem Skandal um die schwarzen Kassen und den heraufziehenden Compliance- Sheriffs war Schluss mit dieser Art Miles & More-Programmen für Wirtschaftsjournalisten – im Hause Siemens und überhaupt. Zudem trafen die ersten Sparrunden die Verlagshäuser, den Redakteuren fehlte fortan schlicht die Zeit für mehrtägige Reisen anlässlich einer Pressekonferenz, die sich zur Not auch am Telefon erledigen ließ. Ganz abgesehen von den moralischen Skrupeln bei diesen Einladungen. Die anstößige Nähe zwischen Akteur und Berichterstatter schwand.
Es begann lange vor der Coronapandemie, dass sich die Zahl von Präsenzveranstaltungen rückläufig entwickelte. Im Jahr 2014 schon hat der erste Dax-Konzern, in Gestalt des Autozulieferers Continental, beschlossen, die jährliche Bilanzpressekonferenz ins Internet zu verlegen. Den Wegfall der physischen Treffen begründete der Konzern mit dem Termindruck im Frühjahr, wo sich Jahresbilanzen und die Automesse in Genf ballen. Zudem meinten die Konzernlenker, mit der Virtualisierung Vorreiter für einen Wandel zu sein, den auch die Conti-Produkte selbst gehen: „Das Auto wird Teil des Internets“, dichteten seinerzeit die Conti-Kommunikatoren.
Wer mag, kann diese ganze Entwicklung feiern als Ende der Kumpanei. Es ist ja wahr: Zu viel Nähe verstellt den Blick. Was zählt, ist das kühle, unbefangene Urteil. Aber deswegen sich gar nicht mehr treffen? Gar nicht mehr miteinander reden? […]
Dieser Text ist ein Auszug. Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe September 2021.