
Haltung hat mit Rückgrat zu tun. Sie drückt aus, wofür man im wahrsten Sinne des Wortes steht. Das gilt für Individuen und Unternehmen gleichermaßen. Doch was macht eine Unternehmenshaltung unverzichtbar? Warum sollte ich meine Corporate Attitude vorformulieren? Einige Gedanken dazu von Sabine Hückmann, CEO von Ketchum Germany.
Unmengen von Studien sagen uns: Die Verbraucher*innen wollen den Beweis, dass sich Marken tatsächlich kümmern. Um möglichst alles, was gesamtgesellschaftliche Megathemen für die jeweiligen Zielgruppen relevant macht. Allem voran Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit, aber auch Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion (DE&I) sowie Zuwanderung. Als Gegenleistung bezahlen – im besten Fall – Menschen mit ihrer Loyalität.

Damit ist auch klar: Mit mehr oder weniger gelungenen Formulierungen allein ist es nicht getan. Da muss ein unternehmerisches Selbstverständnis her, dem zuallererst Taten folgen, begleitet und unterstützt von Worten – aka Kommunikation. Rund um diese klassischen Megathemen machen viele Unternehmen vieles richtig. Sie verfolgen ihre Nachhaltigkeits- und DE&I-Initiativen, sie reden darüber. Der Markt goutiert es.
Aber machen wir uns nichts vor: Kaufentscheidungen allein von Haltungen abhängig zu machen, ist ein Luxus, den sich Konsument* innen erst einmal leisten können müssen. Und Unternehmen müssen damit umgehen, dass ihre Haltung nicht allen gefällt.
NICHT NEU UND DOCH NOCH NICHT ANGEKOMMEN
Zu vielen Megathemen haben Unternehmen und Marken eine Haltung formuliert, agieren und kommunizieren entsprechend. Doch jetzt rückt ein weiteres, absolut nicht neues Thema zunehmend in den Fokus. Mit ihm tun sich viele Unternehmen noch schwer, weil es hoch kontrovers und hochkomplex ist. Weil es nicht vor den Werkstoren haltmacht und sich in der Belegschaft zum veritablen Spaltpilz entwickeln kann: der Schutz demokratischer Grundwerte.

Das ist keine freiwillige Übung im Haltungsturnen, bei der man ab und zu mal mitmachen kann. Weder als Individuum noch als Unternehmen. Allerspätestens die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie haben das jedem logisch denkenden Menschen klargemacht. Oder nehmen Sie die jüngsten Unruhen in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit den Wahlergebnissen in einer der ältesten Demokratien der Welt.
Dass das Thema mit so großer Wucht zuschlägt, hat viele Gründe. Einer der wichtigsten: Fakes und Fake News, deren rasante Verbreitungsgeschwindigkeit und enorme Reichweite in der digitalen Welt – ohne jeden Filter, demokratische Kontrolle, Grenzen und Schranken.
Warum fallen Fakes auf so fruchtbaren Akzeptanzboden? Einfach ausgedrückt: Weil die Welt so unfassbar kompliziert geworden ist. Weil Fakes einfach zu verstehende, vermeintliche Antworten liefern. Und weil jeder Mensch in kürzester Zeit ein Millionenpublikum erreichen kann. Das unterscheidet die Welt von heute von der von gestern. Und damit unterscheiden sich auch die Mechanismen der Bekämpfung von Falschinformationen.
Bei der Bekämpfung von Fakes ist Kommunikation bereits ein Teil der Tat. Denn immer, wenn Umstände und Ereignisse schwer zu greifen sind, braucht es professionelle Erklärung und Einordnung, sodass jeder Mensch zumindest die Chance hat, die Dinge zu verstehen. Und genau das ist letztlich der Job von uns Kommunikator* innen.
DIE MACHT DER MONETARISIERUNG
Die Mechanismen der Monetarisierung machen unseren Job nicht einfacher. Die im Printsektor wegbrechenden Werbeeinnahmen müssen in der digitalen Welt kompensiert werden. In dieser Not greifen Medien und Journalisten zu einem verlockenden, in der Öffentlichkeitswirkung jedoch fatalen Mittel: Die knackige, polarisierende Headline bringt die meisten Klicks. Aber auch Influencer spielen dieses Spiel mit. Im Prinzip jeder, der online um die Aufmerksamkeit in Form eines Klicks buhlt. […]
Dieser Text ist ein Auszug. Lesen Sie in der Februar-Ausgabe des prmagazins, wie der skizzierte Wandel den Job von Kommunikator*innen verändert, warum „Freedom of speech“ nicht gleich „Freedom of reach“ ist und wieso man Fake News am besten mit deren eigenen Waffen bekämpft.