Rausch, Revolution – und Regeln

Seit August 2024 gilt der AI Act der Europäischen Union. Er schreibt Unternehmen und Agenturen vor, ihre Nutzung von KI-Technologien zu überprüfen und anzupassen. Doch viele Kommunikationsprofis stehen noch ganz am Anfang. Wer jetzt handelt, sichert nicht nur die Compliance, sondern auch entscheidende Wettbewerbsvorteile. Was Sie wissen müssen.

(Illustration: prmagazin/DALL·E)

Daniel Koch spricht im Intranet via Podcast zu seinen Kolleginnen und Kollegen. Er ist Produktionsleiter Europa beim Werkstoffhersteller Covestro. Für die interne Kommunikation ist sein Podcast Routine. Das Besondere: Koch und sein Kommunikationsteam lassen sich beim Vorbereiten solcher Aufnahmen seit einem Jahr von einem neuen virtuellen „Kollegen“ helfen: dem Covestro Virtual Assistant.

Es handelt sich um ein für den Konzern adaptiertes System, das Zugriff auf unterschiedliche Large Language Models (LLM) bietet. In die generative KI dürfen Mitarbeitende auch interne, vertrauliche Daten eingeben, die den Covestro-Kosmos niemals verlassen. Seit im August 2024 der AI Act der Europäischen Union in Kraft getreten ist, fallen solche Tools unter ein strenges Compliance-Regime.

Covestro macht sich nicht erst seit diesem Stichtag darüber Gedanken: „Wir beschäftigen uns in der Kommunikation seit dem Aufkommen größerer Sprachmodelle vor etwas mehr als zwei Jahren mit dem Thema und arbeiten laufend an der Erschließung neuer Use Cases. Dabei stehen wir immer wieder an dem Punkt, technologische Möglichkeiten mit gesellschaftlicher Verantwortung abzuwägen“, sagt Liesa Weiße, verantwortlich für die KI-Transformation der Kommunikationsabteilung.

Covestro sieht den Regulierungsvorstoß der EU durchaus mit gemischten Gefühlen, fokussiert sich nun aber auf die Umsetzung der neuen Regeln, erklärt Europa-Kommunikationschef Przemyslaw Jedrysik. „Wir verfolgen beim Einsatz von KI von
Anfang an einen Ansatz, der auf Transparenz, Vertrauen und Ethik setzt“, sagt er. So regelt etwa eine hauseigene Richtlinie den Umgang mit der Technologie und die transparente Kennzeichnung von Inhalten.

Bei aller Weitsicht: Die Umsetzung des AI Act ist auch für Covestro eine Herausforderung: „Wir haben in der Kommunikation viel diskutiert und versucht, den AI Act durchzuarbeiten, aber ohne juristische und technologische Expertise kommt man da nicht weit“, sagt Jedrysik.

Unternehmen wie Covestro, die KI in vielen Bereichen nutzen, kommen nicht umhin, Ressourcen in die Umsetzung der neuen Compliance-Regeln zu stecken: „Es geht ja nicht nur um die Kommunikation. Die weitaus größeren Anwendungsfälle gibt es in Produktion und Forschung“, so Jedrysik. Covestro hat ein interdisziplinäres Team aus IT-Experten, Juristen, Personalern, Strategen und Datenschützern gebildet, das an einem rechtskonformen Ansatz für den Gesamtkonzern arbeitet.

Damit zählen die Leverkusener zu den Pionieren. Eine Deloitte-Studie zeigt, dass sich zwischen Juli und August 2024 – also rund um Inkrafttreten des AI Act – nur rund 26 Prozent der befragten Unternehmen intensiv mit den Anforderungen des Gesetzes beschäftigt haben. Fast die Hälfte hatte noch keine konkreten Maßnahmen ergriffen.

Patrick Gilroy vom unabhängigen TÜV-Verband, der Interessenvertretung der Technischen Überwachungsvereine, beobachtet, dass sogar Kommunikationsabteilungen Schwierigkeiten haben. „Viele sind noch unsicher, wie sie die Anforderungen umsetzen sollen“, sagt er. Dabei ist Künstliche Intelligenz gerade in der Kommunikationsbranche längst breit im Einsatz. […]


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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Dezember 2024 | Januar 2025.