Fahrt auf Sicht

Kaum sind die größten Verwerfungen der Covid-19-Pandemie bewältigt, steckt die Wirtschaft wegen des Ukraine-Kriegs in der nächsten Krise. In der traditionellen prmagazin-Jahresumfrage, an der 34 der größten hiesigen Agenturen teilgenommen haben, ist die wachsende Unsicherheit zu spüren – auch wenn Kommunikation in Krisenzeiten Konjunktur hat. Im neuen Jahr hofft die Szene auf eine Honorardebatte. Für unsere Januar-Ausgabe haben wir die Antworten ausgewertet. Die vollständigen Statements der Agenturprofis lesen Sie hier.

Illustration: Derry/Adobe Stock

Man muss schon ein wenig zwischen den Zeilen lesen, um die Botschaft zu erkennen. Denn die Agenturprofis lassen sich ihre Sorge vor den kommenden Monaten nicht direkt anmerken. Einerseits ist es unwahrscheinlich, dass die Branche ohne Blessuren durch die für 2023 erwartete Rezession kommt. Andererseits ist das Verkünden schlechter Botschaften eine der vornehmsten Aufgaben der PR.

Entsprechend rangierte Krisen-PR im vergangenen Jahr unter den Top drei der am häufigsten nachgefragten Beratungsfelder. Das ist eins der Ergebnisse der traditionellen prmagazin-Jahresumfrage, an der 34 der größten, in Deutschland tätigen PRAgenturen teilnahmen. Nimmt man die Change-Kommunikation dazu, die ebenfalls häufig Krisenbezug haben dürfte, gibt es kaum noch einen Anbieter, der mit dieser Disziplin kein Geld verdient.

„Wir spüren seit Beginn des russischen Angriffskriegs einen steigenden Beratungsbedarf, insbesondere im Bereich geopolitische Veränderungen und deren Auswirkungen auf nationaler Ebene“, sagt Isabel Kassbian von Apco. Christiane Schulz von Edelman schreibt: „Besonders Krisenkommunikation war im Kontext des Ukraine-Kriegs und einer steigenden Anzahl an Cyber-Security-Angriffen gefragt.“

Diese Sonderkonjunktur erklärt womöglich auch die überwiegend positive Bewertung der Budgetentwicklung im abgelaufenen Jahr. 22 Agenturen melden ein Plus, viele auch komplexere Projekte mit entsprechend höheren Honoraren. Rudolf Jeschenko, Inhaber der gleichnamigen Medienagentur, ist der Einzige, der sinkende Zahlen meldet.

Jeschenko steht damit für die Kehrseite der Krisenmedaille: Der Bedarf an Kommunikationsstrategen mag wachsen – aber das Geschäft lahmt nun einmal.„Das Projekt-Business bei bestehenden Kunden ist rückläufig“, erläutert der Agenturchef. „Budgets werden eingespart. Projekte werden zeitlich verschoben oder komplett storniert. Das gilt auch für Produktneueinführungen.“

Wenn man genauer hinschaut, ist Jeschenko mit dieser Einschätzung nicht so allein, wie es die reinen Budgeteinschätzungen vermuten lassen. Alexandra Groß von Fink & Fuchs spricht von stagnierenden Budgets im Bestand. Das Neugeschäft habe hingegen zuletzt zugelegt. Zugleich konstatiert sie aber: „Aufgrund der unsicheren konjunkturellen Lage budgetieren die Kunden auch eher vorsichtig.“ Wigan Salazar von MSL bestätigt, dass Energiekrise und Inflation „bei einzelnen Kunden zu Kürzungen führen“.

Zudem berichten mehrere Anbieter von immer kurzfristigeren Jobs und Verträgen, etwa Benedict Rehbein von PIO: „Wir sehen 2022 keine nennenswerten Veränderungen der Gesamtbudgets. Auffällig ist aber die Veränderung bei den Budgetlaufzeiten und Projektzyklen. Die Laufzeiten sind deutlich kürzer geworden.“ Vermehrt wird, statt auf Jahresbasis, nur noch auf Quartalsbasis bestellt, berichten auch andere.

Ralf Ansorge von Profilwerkstatt sieht für die kommenden Monate ein „Meer aus Fragezeichen“. Ilan Schäfer von Weber Shandwick verweist darauf, dass seit Kriegsbeginn viele Entscheidungen hinausgezögert werden, sodass es auf manche Pitches aus dem März 2022 noch immer keine finale Rückmeldung gebe. Er stellt fest: „Die Unternehmen werden vorsichtiger, fahren eher auf Sicht.“

Der Blick in die Zukunft von komm.passion-Geschäftsführer Alexander Güttler liest sich ebenfalls alles andere als optimistisch: „Insgesamt erscheint die Lage fast paradox. Kunden wie Medien reden über Krieg, Energiekrise, Inflation und Konsumzurückhaltung. Außerhalb von B2C läuft das Geschäft jedoch oft völlig normal weiter. Schauen wir mal, wie lange das noch gutgeht …“

Eine Reaktion der Branche auf die herausfordernden Zeiten: Viele versuchen vorrangig, ihr Geschäft mit Bestandskunden zu pflegen und auszubauen. Unter anderem nennen BCW, fischerAppelt, Lewis, LHLK, MSL, Orca van Loon und Serviceplan neue Jobs mit alten Kunden als eine strategische Säule für das Wachstum ihrer Agenturen. Oft geht es in den langjährigen Kundenbeziehungen darum, Geschäft über die Retainer-Verträge hinaus zu akquirieren.

Beim Neugeschäft dagegen scheinen besonders die großen Agenturen immer wählerischer zu werden. […]

Dieser Text ist ein Auszug. Die komplette Auswertung der Jahresumfrage lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe Januar 2023.

Die Statements der 34 Agenturprofis in voller Länge finden Sie hier.