Wenige Tage bevor Helmut Diess seinen CEO-Job bei Volkswagen verlor, meldete der Konzern eine Neubesetzung: Kerstin Waltenberg ist nun „Human Rights Officer“. Mit großem Team soll sie weltweit ein Auge auf die Einhaltung der Menschenrechte im Unternehmen werfen. Geplant war die direkte Anbindung an den Vorstandsvorsitzenden. Der richtige Adressat wäre aber der PR-Chef gewesen.

VW hat in den letzten Jahren konsequent seine PR-Organisation zerschlagen. Jedes Aufgabengebiet der PR bekam einen extra „Senior Chief Officer“. Die Vorstandskommunikation: separat. Die interne Kommunikation: ausgesondert. Die AR-Kommunikation: getrennt. Die digitale Verantwortung: marketingorientiert. Politik: weit weg. Social Media: ein unabhängiger Spielplatz.
Nach dem Diess-Desaster kann PR-Chefin Nicole Mommsen entspannt mit den Schultern zucken – war ja nicht ihre Aufgabe. Aktuell soll der Konzern einen neuen Job für sie suchen. Vielleicht als „Chief Executive Gender Communications“? In den Organisationen muss dringend klargestellt werden, dass PR nicht die Abkürzung für Pressearbeit, heute gern Kommunikation, ist. Public Relations müssen alle Beziehungen zu allen Öffentlichkeiten verantworten. Und nur da sind die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Gleichbehandlung oder Politik anzubinden. Wenn demächst alle Splittergruppen bei dem neuen PR-Chef Sebastian Rudolph wieder vereint werden, hat der künftige CEO Oliver Blume eine Baustelle weniger.
Die Deutsche Bank dreht gerade eine ähnliche Pirouette: Kommunikationschef Jörg Eigendorf wird „Chief Sustainability Officer“ und verantwortet so nur noch einen Teilbereich der PR. Er darf aber weiter direkt an CEO Christian Sewing berichten. Allerdings werden zeitgleich alle PR-Aktivitäten bei einem neuen Chef gebündelt: Benjamin Alka, dem Leiter von Sewings Stab. Und dabei fällt zum ersten Mal das Wort „Öffentlichkeitsarbeit“. Wenn die Nachricht lautet, die Deutsche Bank hat einen neuen PR-Chef namens Alka, wäre das nachvollziehbar. Vorausgesetzt, der Frankfurter Flurfunk, der sicher ist, dass Alka keine Ahnung von PR hat, liegt falsch. Sonst hätte der Bank-Chef den Diess-Weg eingeschlagen.
Dieser Kommentar ist zuerst als Editorial der prmagazin-Ausgabe August 2022 erschienen.
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