Der frühere dpa-Mann Heiko Lossie und sein Team kommunizieren bei VW für die „helle Seite der Macht“. Gemeint ist der mächtige Gesamt- und Konzernbetriebsrat der Volkswagen AG, an dessen Spitze seit Mai 2021 Daniela Cavallo steht. Über Unterschiede zur Ära Bernd Osterloh, das Verhältnis mit den Corporate-Communications-Kollegen, heftigen Streit mit CEO Herbert Diess – und die „Rettung der Currywurst“.

Ankunft bei VW in Wolfsburg, das Eingangshäuschen ist das Tor zu einem eigenen Mikrokosmos. Wobei, so „mikro“ nun auch wieder nicht. Das am Mittellandkanal gelegene Werksgelände umfasst eine Fläche von mehr als sechs Quadratkilometern, allein die bebaute Hallenfläche ist so groß wie das Fürstentum Monaco. Es gibt hier Kraftwerke, Bürotürme, ein Orchester, Krankenstationen, unzählige Kantinen und Kioske, sogar eine Fleischerei – alles verbunden über ein eigenes Straßen- und Schienennetz.
60.000 Menschen arbeiten am Standort Wolfsburg, das entspricht ziemlich genau der Hälfte der Einwohnerzahl der niedersächsischen Stadt. Weltweit und inklusive aller Marken wie Škoda und Audi hat der Konzern rund 670.000 Beschäftigte. Und die haben Macht – dank zahlreicher Sonderrechte des Betriebsrats mehr als in jedem anderen Konzern. Ihre Anführerin ist seit Mai vergangenen Jahres Daniela Cavallo, die „einflussreichste Arbeitnehmervertreterin der Welt“, wie es in Porträts zu ihrem Aufstieg an die Betriebsratsspitze immer wieder ehrfürchtig hieß.
Am Steuer des Wagens, der die prmagazin-Autorin über das Werksgelände kutschiert, sitzt Kevin Nobs, einer von derzeit drei Betriebsratskommunikatoren. Beim kurzen Halt am Eingang, um den Besucherpass abzuholen, erzählt er eine Anekdote aus Cavallos ersten zwei Wochen im Amt: Sie stiegen am Eingang ins Auto. Nobs, der Fahrer im dunklen Anzug, hielt ihr die Autotür auf, sie fuhren los – bis die Betriebsratschefin ihn stoppte: „Was, wenn die Beschäftigten, die das beobachtet haben, jetzt denken, Du bist mein Chauffeur?“ Nobs nahm sich das zu Herzen, setzte Cavallo ab und fuhr noch einmal zurück, um aufzuklären, dass er „nur“ zu ihrem Kommunikationsteam gehört. Der Sprecher lacht.
Auf der Tour über das Betriebsgelände wird über die Freisprechanlage Heiko Lossie zugeschaltet, der nicht live dabei sein kann – Corona hat ihn erwischt. Wir fahren an der Werkshalle 54 vorbei, in der einst Daniela Cavallos italienischer Vater als Gastarbeiter Autos zusammenschraubte. Zum Zeitpunkt des prmagazin-Besuchs war auch Vivien Werner noch Teil des Teams. Im Mai wechselte sie zurück in die Kommunikation der niedersächsischen SPD, von der sie erst im vergangenen Jahr gekommen war.
Es sind schwierige Zeiten – auch für die Mitarbeitervertretung. Erst die Pandemie und nun der Ukraine-Krieg. Am 24. Februar, dem Tag der Invasion, fand sich der europäische und Weltkonzernbetriebsrat von VW zu einer virtuellen Sondersitzung zusammen. Eigentlich wollte man an diesem Datum das 30-jährige Bestehen des Gremiums feiern.
Nun sprach Cavallo über die Erschütterung, verurteilte den Krieg: „Wir sind in unseren Gedanken bei unseren ukrainischen Freundinnen und Freunden und gedenken der Opfer.“ Vor allem bei Škoda in Tschechien, aber auch in Polen sind hunderte Ukrainer tätig, um die man sich sorgt.
In Deutschland herrscht teils wieder Kurzarbeit, da Kabelbaumlieferungen aus der Ukraine fehlen. Und dann sind da noch die mehr als 6.000 Mitarbeiter, die VW an mehreren, nun stillgelegten Produktionsstandorten in Russland beschäftigt. Der Betriebsrat setzte sich für deren Lohnfortzahlung ein. Ein heikles Thema.
Angekommen im Büro, in dem die Zeit stehengeblieben und die Welt noch in Ordnung zu sein scheint – VfL-Wimpel, eine Miniatur-Tischtennisplatte, eine Grünpflanze. Nobs zuckt entschuldigend mit den Schultern, gießt Filterkaffee in Emailletassen mit IG-Metall-Logo. „Ist nicht so super schick hier bei uns, eher der rustikale Industriecharme.“
Das „Markenhochhaus“ auf der anderen Seite des Areals, in dem neben CEO Herbert Diess auch die Konzernkommunikation arbeitet, wirkt moderner. „Aber dafür“, erklärt der nun im Konferenzraum per Video zugeschaltete Betriebsratssprecher Heiko Lossie grinsend, „sind wir auf der hellen Seite der Macht.“ So hatte schon Cavallo-Vorgänger Bernd Osterloh den Betriebsrat gern bezeichnet.
Der 39-jährige Lossie, ehemals Wirtschaftsjournalist bei der dpa, startete vor fünfeinhalb Jahren in der VW-Betriebsratskommunikation. Sein Chef war damals Gunnar Kilian, heute Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der Volkswagen AG. 2018 stieg Lossie an die Kommunikationsspitze auf. Seitdem berichten die Sprecher direkt an die Betriebsratsführung – erst an Osterloh, heute an Cavallo. 2018 kam Lokalredakteur Kevin Nobs dazu, für die jüngst ausgeschiedene Vivien Werner wird gerade Ersatz gesucht.
Die Jobs des Teams sind vielseitig. […]
Dieser Text ist ein Auszug. Die vollständige Titelgeschichte über die Kommunikation des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG lesen Sie in der prmagazin-Ausgabe Juni 2022.