Crowd macht mobil

Der mediale Gewinner es Kriegs in der Ukraine steht schon fest. Die entscheidende Frage wird sein: Was machen wir mit dem Verlierer? Ein Kommentar von prmagazin-Chefredakteur Thomas Rommerskirchen.

prmagazin-Chefredakteur Thomas Rommerskirchen

Die digitale Kommunikation erlebt gerade den Ernstfall: Es ist Krieg. Spätestens mit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine war zu befürchten, dass Manipulation und Desinformation die Schlachten beherrschen. Lange vor dem Angriff hat Wladimir Putin seine Propagandamaschinen vernetzt, um seine kruden Botschaften zu verbreiten.

Die Militärs aller Lager haben sich größte Mühe gegeben, die Cyber-Sicherheit zu gewährleisten. Aber haben die Strategen auch die Sicherung des Vertrauens der Bevölkerung bei massiver Online-Beschallung in Social Media im Blick? Sind sich die Staatslenker der Wirkung ihrer Auftritte bewusst?

Die Rollen von Wolodimir Selenski und Wladimir Putin sind klar verteilt. Auf der einen Seite der jugendliche Held, der sein geliebtes Vaterland verteidigt. Auf der anderen Seite der satanische Psychopath, der rücksichtslos attackiert. Ihre Online- Auftritte könnten kriegsentscheidend werden.

Selenski twittert fast stündlich. Und das macht er perfekt. Das Selfie, in dem er Desinformationen, er habe das Feld geräumt, entgegentritt, wird Geschichte schreiben. Effizienter kann man die Bevölkerung nicht motivieren. 40 Sekunden – Take, Treffer. Gleichzeitig schmiedet er Allianzen, wenn er kurz nach dem Telefonat mit EU-Ratspräsident Charles Michel eine mögliche EU-Mitgliedschaft lanciert oder Hilfsaktionen öffentlich macht („Weiter so, Kanzler Scholz“).

Putin dagegen kommuniziert aus dem Führerbunker. Seine Drohungen kommen so unmenschlich über den Kreml-Kanal, dass inzwischen auch viele russische Landsleute opponieren – niemand möchte einen Präsidenten haben, der in Videobotschaften mit dem roten Knopf spielt. Und deutlicher kann die Sinnlosigkeit dieser Invasion auch der russischen Armee nicht vermittelt werden.

Der mediale Gewinner dieses Kriegs steht schon fest. Die entscheidende Frage wird sein: Was machen wir mit dem Verlierer? Egal, wie die Grenzen in Zukunft gezogen werden, wer über welche Teile der Ukraine herrscht, Putin ist der Paria der restlichen Welt. Da sein Krieg auch das eigene Land wirtschaftlich und moralisch ruiniert, könnten ihm zu Hause ebenfalls nur noch der Führerbunker und abhängige Genossen bleiben. Das würde die Situation weltweit unkontrollierbar machen – aber auch der Fortgang der Geschichte wird kommunikativ entschieden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um das Editorial zur prmagazin-Ausgabe März 2022.