
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine erleben Rüstungsunternehmen einen unverhofften Imagewandel. Ob Panzer- und Bombenbauer der Mehrheit aber deshalb gleich als nachhaltig gelten können, bleibt ungewiss. Auch die EU ist sich beim Thema noch nicht einig und berät über die Aufnahme der Rüstungsindustrie in die soziale Taxonomie.
Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende. Nach vielen Jahren des Friedens herrscht wieder Krieg in Europa: Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Die Solidarität mit Kiew ist groß. Die Einreise ukrainischer Flüchtlinge in die EU wird erleichtert, Menschen nehmen Geflohene bei sich zu Hause auf.
Und noch etwas passiert – wie nebenbei: Mit den immer lauteren Rufen nach Waffenlieferungen an die Ukraine erscheinen auch die Hersteller dieser Waffen auf einmal in einem ganz anderen, deutlich günstigeren Licht als zuvor. „Bislang waren Rüstungsunternehmen oft in einer Verteidigungshaltung, haben sich mit Rechtfertigungen aufgrund von Anschuldigungen beschäftigt“, sagt der Kommunikationsberater und sicherheitspolitische Blogger Sascha Stoltenow. Er hat selbst zwölf Jahre in der Bundeswehr gedient und war auch im Ausland im Einsatz. „Jetzt sind die Rüstungsunternehmen raus aus der Schmuddelecke“, so Stoltenow. „Sie müssen sich zu allerlei Themen äußern und werden dazu gehört.“
Das Wort Rüstung war in der deutschen Presse lange kritisch konnotiert. In investigativen Recherchen versuchten Journalisten nachzuweisen, dass Waffenhersteller sich nicht an die Regeln halten. Vor 2022 bestimmten Waffenexporte in Länder wie den Irak, Saudi-Arabien und Katar oder das große US-Geschäft mit Handfeuerwaffen und die dortigen Massenschießereien die Schlagzeilen. Heute sind es Berichte über neu eröffnete Munitionswerke, über eine Milliarde Sondervermögen für die Bundeswehr oder über die Frage, ob sich ein Investment in Rüstungsaktien lohnt, weil die Kurse derart massiv steigen.
Anfang des Jahres 2024 kam dann auch die Diskussion über die Frage in Fahrt: Ist Rüstung nachhaltig? Sogar sozial? Geht das überhaupt? Zahlreiche Medien griffen das Thema auf. Die Süddeutsche Zeitung fragte: „Wie sozial sind Waffenfabriken?“, die Tagesschau titelte: „Ethisch in Rüstung investieren?“. Die Beiträge gingen immer in eine ähnliche Richtung. Wirtschaftsethiker kamen zu Wort, Aktivisten und Lobbyisten, Politiker und Unternehmer.
Die Frage, wie nachhaltig und sozial Waffenhersteller sind, sie spielt eine wichtige Rolle mit Blick auf die künftige EU-Taxonomie. Die Europäische Union arbeitet kontinuierlich an dem Klassifizierungssystem, das Unternehmen entsprechend ihrer Nachhaltigkeit einordnet. Im Kern geht es um die Frage: Wie nachhaltig ist Branche X? Im Zuge dieser Diskussion wurden zum Beispiel schon Gas- und Atomkraftwerke als grün gekennzeichnet, weil sie kein CO2 ausstoßen.
Nun soll es in einem zweiten Schritt auch um eine soziale Taxonomie gehen. […]

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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der prmagazin-Printausgabe Juni|Juli 2024.
