„Dem Ansehen des Berufsstands dienen“

Horst Avenarius mit seiner Ehefrau Gudrun Avenarius.


PR-Pionier Horst Avenarius ist am 10. April 2020 nach kurzer, schwerer Krankheit in Gauting gestorben. Anlässlich seines 90. Geburtstags am 26. August 2020 veröffentlichte das prmagazin das letzte Interview mit dem früheren PR-Rats-Vorsitzenden: Ratsmitglied Uwe A. Kohrs sprach mit ihm über den Zustand der Branche und des Kontrollgremiums damals und heute. Zur Erinnerung an einen Vordenker auf dem Gebiet der PR-Ethik in Deutschland.


Der Mann war über viele Jahre einer der relevanten Meinungsbildner der bundesrepublikanischen PR-Branche. Ethische Grundsätze und professionelle Standards der Zunft sind bis heute eng mit dem Namen Horst Avenarius verbunden. Als Mitglied der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) und langjähriger Vorsitzender des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR) hat er den Weg der PR und des Branchenkontrollgremiums fast 20 Jahre lang streitbar mitgeprägt. 2008 war Schluss mit der aktiven Gremienarbeit. Als Ehrenvorsitzender des DRPR hat Avenarius seine Nachfolger und die Ratsarbeit aber weiter aufmerksam begleitet – bis zuletzt. Wie blickte er auf die Branche? Wie haben sich die PR und die Ratsarbeit in seinen Augen verändert? 

Uwe A. Kohrs: Herr Avenarius, verfolgen Sie noch die Arbeit des aktuellen Rats? 

Horst Avenarius: Ich bin nicht mehr ganz so nah dran, aber die Entwicklung der Branche bewegt mich weiterhin. Und natürlich auch die Fallentscheidungen des Rats. Als Ehrenvorsitzender ist das ja Pflicht. Manchmal gebe ich auch noch Empfehlungen. Den Storymachine-Fall habe ich zum Beispiel sehr intensiv verfolgt (DRPR-Beschluss zum sogenannten „Heinsberg Protokoll“). Ich finde, das ist ein sehr gutes Urteil mit einer sehr versierten Begründung. Der Rat rügt ein Verhalten, das für das Ansehen des Berufsstands extrem schädlich ist und mit dem ich mich schon in meiner aktiven Zeit auseinandersetzen musste.

Welches Verhalten meinen Sie? 

So zu tun, als gehöre das eigene Geschäftsgebaren zur gängigen PR-Praxis. Das erinnert mich daran, dass wir damals Moritz Hunzinger aus dem gleichen Grund gerügt haben. Nicht wegen eines Vergehens, sondern weil er durch die Art seines Arbeitens das Ansehen des Berufsstands geschädigt hat. Also ich erkenne, dass der Rat auch heute unsere damaligen Kriterien bei Fällen anwendet. 

Sind Sie eigentlich mit Ihren Nachfolgern im Rat zufrieden? 

Das ist insbesondere gegenwärtig schon ein sehr gutes Team, das hellwach ist, und das freut mich sehr. Ein Wermutstropfen ist das Ausbleiben aktueller Jahresberichte. Man muss lange auf sie warten. Dadurch fehlt der Überblick über die Moralfestlegung der Zunft. Da wünschte ich mir etwas mehr „geistige Rechnungslegung“ des Rats. 

Welche Fälle aus Ihrer aktiven Zeit haben Sie besonders bewegt? 

Ein bewegender Fall war die Auseinandersetzung um die Lufthansa und die Süddeutsche Zeitung, die damals wegen kritischer Berichterstattung aus den Maschinen entfernt wurde. Der Rat hat mehrheitlich geurteilt, dass dies zulässig ist. Allerdings haben wir nach hitziger Debatte erstmals auch ein Minderheitsvotum veröffentlicht. Hier war es mir wichtig, die unterschiedlichen Beurteilungen dieses komplexen Falls transparent zu kommunizieren. Wir haben das später bei zwei weiteren Fällen ebenso gemacht. Die Affäre um Moritz Hunzinger war natürlich auch ein besonderes Verfahren mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit. 

Zu unserer Branche: Wie sehen Sie deren Zustand? 

Ich sehe das natürlich primär aus dem Spiegel der Ratsarbeit und der dort behandelten Fälle. Danach würde ich sagen, die Branche ist in einem guten Zustand, denn die Fälle, die heute auftauchen, sind längst nicht mehr so spektakulär wie zu meinen Zeiten. 

Und was hat sich in der Branche getan?

Ich habe immer für eine starke Rolle der Kommunikatoren gekämpft und häufig deswegen Konflikte mit dem Marketing gehabt, das uns eher als sein Unterglied gesehen hat. Da habe ich den Eindruck, dass dies Kämpfe von gestern sind und PR heute eine starke Position besitzt. Das ist sehr erfreulich. 

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der Verbände im DRPR? 

Ich bin immer für die DPRG tätig gewesen und sehe das Miteinander der Verbände sehr positiv. Mein Einstieg in die Ratsarbeit erfolgte 1988 durch die Arbeit in der DPRGEthikkommission, mit der wir das damalige moralische Durcheinander der Kodizes und Regelungen beenden wollten. Erst daraus ist wieder eine aktive und öffentliche Ratsarbeit entstanden, der ich von 1992 bis 2008 vorgestanden habe. Ich finde es heute wichtig, dass die Verbände im Trägerverein sicherstellen, dass der Rat in seinen Entscheidungen größtmögliche Unabhängigkeit besitzt. 

Gibt es etwas, das Sie der Branche und dem Rat mit auf den Weg geben wollen? 

Ja, ich finde den Hinweis, dass es sich bei den Beschlüssen der Ratsmitglieder um Meinungsäußerungen handelt, etwas zu schwach. Ich finde, der Rat spricht mehr aus als eine Meinung. Hier sollte man deutlicher sein, Urteile fällen und dazu stehen. Daneben finde ich wichtig, dass der Rat auch in Zukunft den Bereich Public Affairs abbildet und hier als Korrektiv wirkt. Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass der DRPR für die Branchenentwicklung auch künftig extrem wichtig sein wird und es notwendig und lohnend ist, für die ethischen Grundsätze des Berufsstands zu streiten. 

Was steht noch auf Ihrer Liste für die Zukunft?

Ich habe gemeinsam mit Günter Bentele als Herausgeber vor Kurzem das Buch „Nachdenken über PR“ herausgebracht – sozusagen mein Vermächtnis nach einer langen Zeit in der PR. Ansonsten gibt es keine aktuellen Pläne. Aber wenn der Rat demnächst mal wieder eine Sitzung in München abhält, freue ich mich, dabei zu sein.

Dieses Interview ist zuerst in der prmagazin-Ausgabe 09/2020 erschienen.